Gibt es ein Unsterblichkeitsgen? "Ja", lautet die schlichte Antwort von Annette Kehnel, Professorin am Historischen Institut der Universität Mannheim, "der Süßwasserpolyp Hydra hat es, und es heißt FoxO." Forscher der Universität Kiel waren 2012 auf dieses Gen gestoßen, das die winzigen Nesseltierchen quasi unsterblich macht. Der Fund sorgte damals für Schlagzeilen, berührt er doch eine Frage, die die Menschheit seit ihren Anfängen umtreibt: Warum altern wir? Warum sterben wir?
Aus Anlass der Mumien-Sonderausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim widmete sich nun eine zweitägige Tagung unter dem Titel "Unsterblichkeit - Traum oder Trauma?" diesem Thema. Experten aus Kunstgeschichte, Religion, Sportgeschichte, Informatik und den Wirtschaftswissenschaften waren eingeladen, die Frage aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Unsterblichkeit kostet Undifferenziertheit
Die Schlussfolgerung von Kehnel: "Unsterblichkeit kostet Undifferenziertheit. Die Hydra ist unsterblich, aber sonst nicht viel." Das Geheimnis des ewigen Lebens dieses simplen Geschöpfs liegt in seinen undifferenzierten Zellen, die sich unendlich oft teilen können. Der Mensch aber braucht zum Menschsein differenzierte Zellen: Nervenzellen, Leberzellen, Blutzellen, Hautzellen.
Was geschieht nun, wenn diese Zellen kaputt gehen? Mit dieser Problematik befasst sich Jochen Sven Utikal vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Auch er liefert aus der Biologie ein Beispiel für Unsterblichkeit: die embryonale Stammzelle. "Diese Zelle kann sich in alle rund 200 Zell- und Gewebetypen entwickeln."
Einziger Nachteil: Sie kommt nur in einer sehr frühen Phase der Embryonalentwicklung vor. Forscher versuchen seit geraumer Zeit - teilweise erfolgreich - Zellen eines (erwachsenen) Menschen, etwa Leberzellen, dazu zu bringen, sich in diese Alleskönner-Zelle zurück zu verwandeln.
Auf diese Weise ließe sich dann, so eine ferne Hoffnung, ein menschliches "Ersatzteillager" schaffen: Zellen, die bei einem Herz- oder Schlaganfall verloren gehen, könnten erneuert werden; Patienten bräuchten keine Spenderorgane mehr, sondern könnten sich gesunde Zellen in ihre kranken Organe injizieren lassen; Brandopfern könnten ganze Hautpartien, im Labor gezüchtet, transplantiert werden.
Ob der Mensch dadurch eines Tages unsterblich werde, möchte ein Zuhörer wissen. Eher nicht, sagt der Wissenschaftler: "Die Methode ist höchstens lebensverlängernd. Es wird immer etwas kaputt gehen, und das muss dann repariert werden."
Mit derlei (weltlichen) Qualen befassten sich die Menschen in früher Zeit gar nicht erst, wie Christian Mann vom Historischen Institut der Universität Mannheim erläutert. "Ich bin nicht vergessen, und darum bin ich nicht tot - das war das Konzept der Antike von Unsterblichkeit", erklärt Mann und führt den jungen Helden Achill an, der vor die Wahl gestellt wird, entweder ein langes, langweiliges Leben zu führen oder früh, aber dafür ruhmreich zu sterben.
Achill entscheidet sich für den frühen Tod, um sich durch den Nachruhm irdische Unsterblichkeit zu sichern. "Das Sterben soll nicht vermieden werden, sondern es geht darum, in der Erinnerung der Nachwelt weiterzuleben."
Für die Nachwelt in Erinnerung bleiben
Dazu dienen auch die Denkmäler, die Bilder, Büsten und pompösen Gräber, die sich Dichter, Denker und Staatslenker seit Jahrhunderten bauen und malen lassen. "Das hat nichts mit Auferstehung zu tun, sondern es geht darum, in idealisierter Form Werk und Wirken darzustellen und für die Nachwelt in Erinnerung zu behalten", sagt Christoph Lind von den Reiss-Engelhorn-Museen.
Gerade um die Auferstehung geht es hingegen bei den Religionen - wenngleich es keine allgemein gültige Wahrheit gebe, was und wie Religionen über das Danach denken, wie Kyra Seufert und Gerd Frey-Seufert von der evangelischen Kirche Mannheim zu bedenken geben.
Und dennoch sind sich die Kirchenleute sicher: "Wir teilen mit den anderen Religionen die Überzeugung, dass, wenn es eine Wirklichkeit gibt, die nicht den Begrenzungen des Endlichen unterliegt, auch unsere Hoffnung nicht auf das eingeschränkt ist, was sich allein von der uns bekannten Welt her erwarten lässt."