Zur Krise für die Kirche als Ganzes sei es dadurch geworden, wie Zuständige und Mitwisser mit ihm umgegangen seien, nämlich mit Verschweigen und Vertuschen, so Beer in einem Autorenbeitrag für die katholische Wochenzeitung "Die Tagespost" (Donnerstag). "Wenn man also nach den Schuldigen der Krise sucht, dann sollte man bei denen beginnen, die die Täter stoppen und die (weitere) Taten hätten verhindern können", so Beer.
In derselben Ausgabe der Zeitung schreibt der Churer Weihbischof Marian Eleganti, Sexualität und nicht Klerikalismus spiele die entscheidende Rolle bei den Übergriffen. Ohne eine homosexuelle Veranlagung auf Täterseite lasse sich nicht wirklich erklären, dass in den bisher veröffentlichten Reports wie zuletzt in Deutschland die Opfer übergriffiger Kleriker mehrheitlich männliche Kinder und Jugendliche gewesen seien. Zugleich sei "uns allen klar, dass Sexualität per se - egal ob homo- oder heterosexuell - integriert und beherrscht werden muss und kann".
Nicht eine Gruppe von Menschen zum Sündenbock machen
Beer argumentiert dagegen, der Missbrauch definiere sich durch Machtmissbrauch gegenüber Schwächeren. Dieser lasse sich weder auf eine bestimmte sexuelle Orientierung zurückführen noch auf eine solche beschränken. Die meisten Fälle im Verantwortungsbereich der Kirche seien bei Priestern festgestellt worden. "Offensichtlich gelingt es nicht, die trotz Verpflichtung zu Enthaltsamkeit nicht einfach verschwundene Sexualität in eine kohärente Lebensform zu integrieren." Dies könne "zu Verdrängungen führen, die sich irgendwann Bahn brechen und zu mehr oder weniger unkontrolliertem Ausagieren führen".
Bei der Bewältigung der Missbrauchskrise sollte nicht eine bestimmte Gruppe von Menschen vorschnell zum Sündenbock gemacht werden, warnt der Münchner Generalvikar. Zu leicht könne damit von erheblichen Strukturproblemen der Kirche abgelenkt werden. Beer nennt in diesem Zusammenhang "die Hilf- und Sprachlosigkeit gegenüber der Diskrepanz von theologischen Vorgaben und tatsächlicher Lebensführung, die Duldung von machtrelevanten Seilschaften, Amtsmissbrauch", aber auch "das geistlich-spirituelle Niveau innerhalb der Institution Kirche, deren Vertreter zum Teil offenbar keine allzu große Schwierigkeiten damit hatten, dass ihr persönliches Sprechen und Handeln nicht miteinander im Einklang waren".