Der Mindestlohn wird angehoben. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch in Berlin eine Erhöhung um 35 Cent auf 9,19 Euro brutto pro Stunde zum Beginn des kommenden Jahres. Gegenwärtig liegt die gesetzliche Lohnuntergrenze bei 8,84 Euro. Die SPD-Spitze debattiert über einen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde. Kritik an den Forderungen kam von der FDP und den Arbeitgebern.
Die Mindestlohnkommission hatte im Juni eine Erhöhung der Lohnuntergrenze in zwei Schritten empfohlen. Anfang 2020 soll der Mindestlohn weiter auf 9,35 Euro in der Stunde steigen. Die Bundesregierung muss den Mindestlohn per Verordnung beschließen. Sie folgt dabei den Empfehlungen der Kommission, die sich an der Entwicklung der Tariflöhne orientiert.
Streit über 12 Euro
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) setzte sich in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung (Mittwoch) für einen höheren Mindestlohn ein. Er finde, dass zwölf Euro Mindestlohn angemessen seien, schrieb Scholz und nannte damit einen Betrag, der auch von der Linkspartei gefordert wird. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf dem Vizekanzler Inkonsequenz vor. Wenn Scholz zwölf Euro Mindestlohn wolle, "hätte er das heute im Kabinett durchsetzen sollen", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, der selbst der Mindestlohnkommission angehört.
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Johannes Vogel, warf Scholz vor, sich mit seiner Forderung "zum Befehlsgeber der Mindestlohnkommission" aufzuspielen. Das sei unangemessen "und offenkundig nur seiner Parteipolitik geschuldet", sagte Vogel. Die Arbeitgeber erklärten, Löhne dürften nicht in willkürlicher Höhe von Politikern festgelegt werden. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, sagte, über den Mindestlohn entscheide eine Kommission, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichberechtigt mitwirkten: "Es ist irritierend, dass der Vizekanzler einer großen Koalition die eigenen Spielregeln öffentlich infrage stellt."
Mindestlohn ist nur absolute Lohnuntergrenze
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schwächte Scholz' Äußerung ab und erklärte einen Mindestlohn von zwölf Euro zu einer "Zielmarke". Heil setzte sich dafür ein, bei der gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfung der gegenwärtig geltenden Regelungen zu klären, "wie wir ab 2020 zu einer deutlichen Steigerung des Mindestlohns kommen". Außerdem sei der Mindestlohn immer nur die absolute Lohnuntergrenze. Man müsse erreichen, dass mehr Menschen Tariflöhne verdienen.
Der gesetzliche Mindestlohn gilt für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen über 18 Jahre, nicht aber für Auszubildende und Menschen in Arbeitsförderungsmaßnahmen. Ausgenommen sind auch Langzeitarbeitslose, die wieder eine Stelle finden. Sie haben in den ersten sechs Monaten keinen Anspruch auf die Mindestvergütung.
Praktikanten erhalten den Mindestlohn nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die gesetzliche Lohnuntergrenze wird alle zwei Jahre neu festgelegt. Der Mindestlohn war Anfang 2015 nach langen Auseinandersetzungen auf Drängen der SPD eingeführt worden und hatte zunächst 8,50 Euro pro Stunde betragen.