Drei Tage nach dem Freispruch einer wegen Gotteslästerung verurteilten Christin in Pakistan haben Islamisten ihre landesweiten Protestet aufgrund eines Abkommens mit der Regierung eingestellt. Die radikalislamische Gruppe Tehreek-e-Labaik Pakistan (TLP) einigte sich am Freitagabend mit der Regierung, wie TLP-Sprecher Pir Zubair Kasuri der Deutschen Presse-Agentur sagte. Laut der Vereinbarung "wird die Regierung sich einem Revisionsantrag gegen die Entscheidung des Obersten Gerichts zum Freispruch Asia Bibis nicht widersetzen". Zudem würden Schritte eingeleitet, "Bibi am Verlassen des Landes zu hindern".
"Diese Übereinkunft hätte es niemals geben dürfen"
Der Ehemann von Asia Bibi hat sich besorgt gezeigt über die jüngste Wende im Fall der pakistanischen Christin. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Pakistan, seine Frau vom Vorwurf der Gotteslästerung freizusprechen, sei ein Hoffnungsschimmer gewesen, sagte Ashiq Masih am Samstag der Deutschen Welle.
Mit dem nun bekanntgewordenen Kompromiss zwischen der Regierung und islamistischen Gruppen, wonach eine Berufung gegen das Urteil möglich sein soll und Bibi das Land nicht verlassen darf, drohe die Hoffnung wieder zu schwinden. "Diese Übereinkunft hätte es niemals geben dürfen", so Masih. "Meine Töchter haben sich so danach gesehnt, sie frei zu sehen, aber die Berufung wird das Leid meiner Frau noch einmal verlängern." Jetzt werde sie bis zu einer neuerlichen Entscheidung im Gefängnis bleiben.
Vorwurf der Gotteslästerung
Ausgebrochen waren die Straßenproteste am Mittwoch, nachdem die wegen Blasphemie verurteilte Christin Asia Bibinach acht Jahren in der Todeszelle vom Obersten Gerichtshof in Islamabad freigesprochen worden war. Der heute 51-jährigen Bibi war vorgeworfen worden, sich bei einem Streit mit muslimischen Frauen in ihrem Dorf abfällig über den Propheten Mohammed geäußert zu haben. Die fünffache Mutter war 2009 festgenommen und im Jahr darauf nach einem umstrittenen Blasphemiegesetz in dem vorwiegend muslimischen Land zum Tode verurteilt worden. Nach der Aufhebung des Todesurteils hatte die TLP die Entlassung der Richter und eine Hinrichtung Bibis gefordert.
Zum derzeitigen Aufenthaltsort Bibis gab es zunächst keine offiziellen Angaben. Örtliche Medienberichte deuteten aber an, sie sei möglicherweise bereits aus Pakistan geflohen.
Anwalt von Asia Bibi würde nach Pakistan zurückkehren
Bibis Anwalt Saiful Malook verließ Pakistan laut einem Bericht des "Express Tribune" am Samstagmorgen, da er um sein Leben fürchte. "Auch die Sicherheit meiner Familie ist erheblich bedroht", sagte Malook demnach. Er werde aber zurückkehren, um Bibi vor Gericht zu verteidigen, wenn das Militär ihm Sicherheit gewähre.
Menschenrechtler kritisierten die Vereinbarung zwischen Regierung und Islamisten in Pakistan als "Bankrott-Erklärung des Rechtsstaates". "Der Deal macht Pakistans Rechtssystem zur Beute des islamistischen Mobs." Wenn das Oberste Gericht Recht gesprochen habe, dürfe die Regierung nicht zulassen, dass Islamisten die Rechtsprechung aushebelten, sagte der Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, am Samstag in Göttingen.
Deutsche Bischofskonferenz in Freude und Sorge zugleich
Zuvor erklärte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Ludwig Schick, zu den aktuellen Entwicklungen in Pakistan: "Ich bin froh und erleichtert, dass der Oberste Gerichtshof in Pakistan die Christin Asia Bibi vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochen hat. Ein jahrelanges Verfahren ist zu Ende und die Beschuldigte wurde endlich aus dem Gefängnis entlassen. Die Entscheidung ist lebensrettend für Asia Bibi; sie ist aber auch von großer Wichtigkeit für alle, die das Recht auf Religionsfreiheit verteidigen und sich für gute Beziehungen zwischen Christen und Muslimen einsetzen."
Erzbischof Schick drückte ebenso seine Sorge aus: "Radikale Kräfte nutzen in diesen Stunden die Gelegenheit, Unruhe in die Straßen Pakistans zu tragen. Dies zeigt, wie weit die pakistanische Gesellschaft noch von innerem Ausgleich entfernt ist. Ich hoffe und bete, dass das ganze Land und besonders auch die kleine Gruppe tapferer Christen, die dort leben, diesen Sturm unbeschadet überstehen."