In einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Samstag) schreibt der 58-Jährige wörtlich: "Die Sonntagspflicht zum Beispiel, auf der die katholische Kirche beharrt, hat dazu geführt, dass Gläubige die Gottesdienste besucht und ihre Gebete in der festen Gewissheit verrichtet haben, dass so etwas für sie herausspringt: Erfolg im Beruf, gute Prüfungsergebnisse, Glück in der Partnerschaft – und wenn das ausbleibt, dann wenigstens, sozusagen als aufgeschobener Lohn, ein glückliches Jenseits."
Frei und zwanglos
Auch der Glaube müsse viel zu oft einem Zweck dienen und ein Ergebnis haben, kritisiert Schießler weiter: "So haben wir konsequent unsere Kirchen geleert. Denn der Gläubige von heute ist frei und zwanglos – endlich. Niemand kann ihn mehr zum Glauben oder religiösen Tun verdonnern, schon gar nicht mehr mit Angst."
Das sei aber auch "gut so – für alle, die ihre Kirche offen und transparent gestalten wollen", ergänzte der Geistliche. Die Kirchen befänden sich heute "nicht nur im freien Fall, sondern auch im freien Wettbewerb". Das könne aber auch vom alten Denken befreien. Die Kirchen müssten heute die Menschen gewinnen lernen, zum Beispiel "mit Gottesdiensten, die mehr sind als Zweckveranstaltungen, bei denen man einfach da sein darf, ob man nun beten mag oder nicht glauben kann oder den Glauben verloren hat."
"Gebete bringen keine Treupunkte"
Die Kirchengemeinden, so Schießler weiter, müssten zu Orten werden, "wo Menschen sein können, was sie sind und wie sie sind, mit ihren Vorzügen und Abgründen, ihren guten Taten und ihrem Versagen – ohne dass sie nun ihr Heil erwirtschaften müssen: Kerzen und Gebete bringen keine Treupunkte."
Die Botschaft der Kirchen müsse sein, "Räume des Zwecklosen" anzubieten. Glauben sei "das zweckloseste Tun des Menschen und pures Vertrauen ohne jegliche Absicherung. Ich begrüße immer mal wieder meine Gottesdienstbesucher: Willkommen in der zwecklosesten Veranstaltung, die es gibt. Sie müssen nichts tun, dürfen nur hier sein! Und viele kommen gerade deshalb wieder."