Zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Länderbehörden wird intensiv über eine Beobachtung des umstrittenen Moscheeverbandes Ditib (Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion) diskutiert. In Nordrhein-Westfalen ist die vom türkischen Staat gelenkte und finanzierte Ditib in der Vergangenheit durch Spionagetätigkeit ihrer Imame, die Verbreitung von Jugendcomics zur Verherrlichung des Märtyrertods und militärische Kriegsspiele mit Kindern aufgefallen.
"Verfassungsfeindliche nationalistisch-religiöse Aktivitäten"
"Die Ditib ist im Leben keine religiöse Organisation", sagt der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier. Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern beschäftigten sich kontinuierlich mit türkisch-nationalistischen Aktivitäten in Deutschland, sofern sie sich auf die Sicherheitslage hierzulande auswirkten. Auch die Ditib sei in der Vergangenheit durch derartige Aktivitäten aufgefallen. Insofern sei der Moscheeverband ein Thema für die Nachrichtendienste, so Freier.
Die Ditib koordiniert über ihre Kölner Zentrale bundesweit etwa 900 Moscheen und untersteht der Aufsicht des Präsidiums für Religionsangelegenheiten (Diaynet) in der Türkei. Ende September hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in einem Dossier Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen der Ditib an alle Bundesländer weitergeleitet. Darin geht es auch um eine Beobachtung des Moscheeverbandes wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten.
Im Zusammenhang mit der jüngsten türkischen Militäroperation in Nordsyrien hat das BfV offenkundig festgestellt, dass einzelne Moscheegemeinden der Ditib "verfassungsfeindliche nationalistisch-religiöse Aktivitäten entwickelten und entsprechende Äußerungen tätigten".
Nicht mehr "diplomatisches Porzellan" mit der Türkei zerschlagen
Außerdem will der Verfassungsschutz "eine strukturelle Verflechtung" zwischen dem Moscheeverband und den türkischen Generalkonsulaten beobachtet haben. Der Ditib-Vorsitzende Nevat Yasar Asikoglu ist in Personalunion türkischer Botschaftsrat für religiöse und soziale Angelegenheiten in Berlin. "Er wird nicht durch die Delegierten der Ditib-Gemeinden gewählt, sondern von der Diyanet als Vorsitzender für eine befristete Zeit eingesetzt", heißt es in dem Dossier.
In der Hierarchieebene darunter stünden die Religions-Attaches, die die Ditib-Gemeinden «regelmäßig besuchen und beraten». Nach den Erkenntnissen der Nachrichtendienste hatten 2016 von der Ditib eingesetzte Imame an diese Religions-Attaches Namen von 28 Regimegegnern in Deutschland weitergegeben. Gleichzeitig sollen sie elf Einrichtungen der regimekritischen Gülen-Bewegung ausgespäht und ihre Erkenntnisse an die Diyanet übergeben haben.
Dennoch gibt es unter den Nachrichtendiensten der Länder nach Informationen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) derzeit kein Bestreben, die Ditib offiziell als Beobachtungsobjekt einstufen. Damit würde nicht nur "weiteres diplomatisches Porzellan mit der Türkei zerschlagen", sagt ein Verfassungsschützer. Auch vor den Gerichten könnten die Nachrichtendienste damit Schiffbruch erleiden. Es gebe derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ditib in Deutschland "umstürzlerisch aktiv" sei oder etwa eine "Expansionsstrategie" verfolge.
Gründung einer Konkurrenz-Organisation?
"Das sind Nationalisten, aber keine Extremisten", lautet der Tenor bei den Sicherheitsdiensten der Länder. Ein Sprecher des Düsseldorfer Innenministeriums betont, dass für eine Einstufung der Ditib als Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz "hohe rechtliche Hürden in einem rechtsstaatlichen Verfahren" zu überwinden wären.
Eindeutiger ist die Haltung des NRW-Verfassungsschutzes zu einem Kooperationsverbot zwischen dem Land und der Ditib. Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte nach Bekanntwerden der Spionage durch Ditib-Imame ihre Zusammenarbeit mit dem Verband beim muslimischen Religionsunterricht, der Gefängnisseelsorge und der Extremismus-Prävention aufgekündigt.
Auch zwischen der amtierenden schwarz-gelben Landesregierung und der Ditib-Führung herrscht Eiszeit. Integrations-Staatsekretärin Serap Güler (CDU) denkt sogar über die Gründung einer Konkurrenz-Organisation zur Ditib nach. "Es wäre ein tolles Zeichen, wenn sich die liberalen Muslime in unserem Land organisieren", sagt sie.
Johannes Nitschmann