Debatte um Sozialreformen

Was wird aus Hartz IV?

Die Politik diskutiert über Hartz IV. Die SPD sucht neue Wege, von den Grünen kommt ein Vorstoß, die CDU plädiert für Reformen innerhalb des Systems. Für Caritas-Präsident Neher ist Hartz IV "sinnvoll im Ansatz" aber "schlecht in der Ausführung".

Diskussion über Zukunft von Harz IV / © Jens Büttner (dpa)
Diskussion über Zukunft von Harz IV / © Jens Büttner ( dpa )

Der CDU-Arbeitnehmerflügel lehnt grundlegende Änderungen von Hartz IV ab. "Ob Garantiesystem oder Grundeinkommen, das sind doch Quatschbegriffe. Es geht darum, dass wir die Menschen in Arbeit bringen", sagte der Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Nur so könne man Armut überwinden.

Er wies auf die Koalitionspläne für einen sozialen Arbeitsmarkt hin, bei dem bezuschusste Stellen für Langzeitarbeitlose geschaffen werden sollen. "Das ermöglicht Teilhabe, nicht diese immer wiederkehrende Debatte der SPD, ihrem eigenen Kind Hartz IV einen neuen Namen zu geben."

Alternativen im Gespräch

Die SPD möchte das 2005 in rot-grüner Regierungszeit eingeführte Hartz-IV-System am liebsten ganz abschaffen. Parteichefin Andrea Nahles hatte am Wochenende eine "Sozialstaatsreform 2025" mit einer neuen Grundsicherung vorgeschlagen, ohne allerdings konkret zu werden.

"Besser als sein Ruf"

Caritas-Präsident Peter Neher nannte Hartz IV im DOMRADIO-DE-Interview "besser als seinen Ruf". "Mit Hartz IV haben wir immerhin erreicht, dass auch Menschen in eine Förderung gekommen sind, die vorher einfach abgeschrieben waren und um die sich niemand mehr gekümmert hat", sagte Neher.

Gleichzeitig sei der Regel-Bedarf zu niedrig, um ein soziales Leben zu ermöglichen. Das Hartz IV-System sei "sinnvoll im Ansatz aber "in der Ausführung oft schlecht gemacht", betonte Neher. Mit dem Begriff werde viel transportiert, was stigmatisiere und ausgrenze.

"Gängelung entfällt"

Ein neuer Vorstoß kommt nun von den Grünen. Parteichef Robert Habeck sprach sich für eine Garantiesicherung ohne Zwang zur Arbeitsaufnahme aus, die aber wie bei Hartz IV nur Bedürftige erhalten sollen. Ein Zwang zur Arbeitsaufnahme und Sanktionen entfalle dabei, wie aus einem am Mittwoch veröffentlichten Papier hervorgeht, über das zuerst "Zeit Online" berichtete.

Damit gelte es, das "Hartz-IV-System hinter uns zu lassen". Im Gegensatz zu Ideen für ein bedingungsloses Grundeinkommen solle es aber bei einer Prüfung der Bedürftigkeit bleiben. Der Vorstoß solle nun in die Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm der Grünen einfließen.

"Arbeitslosigkeit kein individuelles Problem"

Habeck betont in dem Papier angesichts von Digitalisierung und Globalisierung: "Die Zeit und die politische Debatte sind über Hartz IV hinweggegangen." Dem System liege die falsche Auffassung zugrunde, "dass Arbeitslosigkeit ein individuelles Problem ist".

Mit der neuen Sicherung sollten Menschen nicht mehr gezwungen werden, Termine im Jobcenter zu machen oder Arbeit zu suchen. Beratung und Weiterbildung sollten freiwillig sein. Weiter nötig sein sollten ein Antrag und der Nachweis der Bedürftigkeit. Ohne Zwang zur Arbeitsaufnahme entfalle aber "das wesentliche Element von Hartz IV, die Gängelung".

Nur hohes Vermögen soll angerechnet werden

Habeck schlägt in seinem Papier weitere Änderungen vor, etwa für mehr Zuverdienstmöglichkeiten. Eine Anrechnung von Vermögen auf Hartz IV solle überhaupt nur noch geprüft werden, wenn dieses 100.000 Euro pro Person übersteige. Je nach Ausgestaltung der neuen Sicherung dürften mindestens vier Millionen zusätzliche Haushalte Ansprüche erhalten.

Insgesamt sei grob geschätzt mit Kosten von 30 Milliarden Euro zu rechnen. Dies sei viel Geld, entspreche aber nur einem Prozent der Wirtschaftsleistung. "Die Gegenfinanzierung muss aus einer gerechteren Verteilung der Wohlstandsgewinne dieses Landes erfolgen." Auszahlen solle die neue Sicherung "eine eigenständige Behörde".

"Das ist der falsche Weg"

Aus SPD und FDP kamen erste eher kritische Reaktionen. SPD-Vize Ralf Stegner sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, jeder, der arbeiten könne, müsse auch arbeiten. "Insofern halte ich eine solche Garantiesicherung für falsch." Richtig sei, dass jeder Bürger ein Existenzminimum bekommen solle, das nicht heruntergekürzt werden dürfe.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sagte dem RND, die Grünen wollten wohl vor allem mehr Geld ausgeben und sich vom Grundsatz "Fördern und Fordern" verabschieden. "Das ist der falsche Weg." Sinnvoll sei, Regeln einfacher zu gestalten, Sozialleistungen zusammenzufassen und vor allem die Zuverdienstregeln zu verbessern.

Derzeit bekommen rund sechs Millionen Menschen Sozialleistungen nach dem Hartz-IV-System, das die damalige rot-grüne Regierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) 2005 im Zuge einer Arbeitsmarktreform eingeführt hatte.


Karl-Josef Laumann (CDU) / © Caroline Seidel (dpa)
Karl-Josef Laumann (CDU) / © Caroline Seidel ( dpa )

SDP-Parteivorsitzende Nahles / © Rolf Vennenbernd (dpa)
SDP-Parteivorsitzende Nahles / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Caritas-Präsident Peter Neher im Gespräch / © Harald Oppitz (KNA)
Caritas-Präsident Peter Neher im Gespräch / © Harald Oppitz ( KNA )

Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )
Quelle:
dpa , DR