Für die Profanierung einer Kirche sollte nach Ansicht des emeritierten Bonner Theologen Albert Gerhards nicht ausschließlich die Frage entscheidend sein, ob hier noch Gottesdienste gefeiert werden. Zwar sei die Eucharistie laut Zweitem Vatikanischen Konzil (1962-1965) "Quelle und Höhepunkt des kirchliches Lebens", sagte er im Interview der Zeitschriften der Verlagsgruppe Bistumspresse (Sonntag) in Osnabrück. Doch könne eine Kirche nicht allein danach beurteilt werden. Es sei eine diakonische Aufgabe, "Kirchen als Orte des Gebets offenzuhalten und Menschen dort die Begegnung mit Gott zu ermöglichen."
Andachten und Gebete auch ohne Priester
Früher seien in Gotteshäusern auch ohne Priester Andachten oder Gebete gehalten worden, erläuterte der Theologe. Oder es sei selbstverständlich gewesen, "auf dem Weg zum Markt" einfach mal hineinzugehen. Wenn jetzt Kirchen außerhalb der Messen immer geschlossen seien, bedeute das den "Anfang vom Ende". Gerhards verwies auch auf den identitätsstiftenden Charakter von Kirchen für Dörfer und Stadtteile. Es gebe in Ostdeutschland heute Initiativen zum Erhalt von Kirchen, deren Mitglieder nicht einmal getauft seien.
Zudem appellierte der Theologe an die Bistümer, die Möglichkeit von Mehrfachnutzungen zu prüfen. So könne vielleicht der Chorraum einer Kirche als liturgischer Raum erhalten bleiben, während der Rest des Gebäudes als Gemeindezentrum, Kindergarten oder Kolumbarium zur Urnenbestattung diene. Denkbar seien auch Kooperationen mit anderen Trägern, um Kosten zu senken.
"Wir sind in Deutschland noch ganz gut dran"
Anderswo sei das Problem noch viel relevanter als in Deutschland, so Gerhards. In England werde ein Drittel aller Kirchen aufgegeben, in Italien würden aus Kirchen Autowerkstätten oder Luxushotels. "So gesehen sind wir in Deutschland noch ganz gut dran. Aber es geht hier ja auch erst los." Deshalb gelte es jetzt zu überlegen, wie die Zukunft der Kirchen aussehen solle.