DOMRADIO.DE: Sie haben den CDU-Parteitag in Hamburg in der ersten Reihe mitverfolgt. Was war das für eine Stimmung? Wie haben Sie das erlebt?
Prälat Karl Jüsten (Leiter des Katholischen Büros Berlin): Zunächst einmal hat die Bundeskanzlerin und bisherige Parteivorsitzende Angela Merkel eine bewegende Rede gehalten, wo sie noch einmal erklärt hat, was ihre Art war, Politik zu betreiben. Damit hat sie den Parteitag auch emotional erreicht. Es gab minutenlangen Applaus dafür. Damit hat sie sich würdig von der Partei als Vorsitzende verabschiedet. Sie hat aber keine Rede nach dem Motto "Ich bin jetzt weg und denke über mein Erbe nach" gehalten. Es war auch klar, dass sie noch Kanzlerin bleiben möchte. Von daher war das schon mal gut.
Danach gab es die drei Bewerbungsreden, die sehr unterschiedlich ausgerichtet waren. Ich fand Frau Kramp-Karrenbauer vielleicht am emotionalsten. Herr Merz ist vielleicht am analytischsten gewesen und Herr Spahn hat vielleicht am meisten in die Zukunft geblickt.
Danach gab es den Abstimmungsvorgang mit zwei Wahlgängen. Das war auch sehr spannend. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es bei der CDU jemals eine Kampfabstimmung gegeben hätte. Im zweiten Wahlgang hat Frau Kramp-Karrenbauer sich knapp durchgesetzt. Bewegend war dann zum Schluss wie sie sich gegenseitig zu ihrem Ergebnis gratuliert haben. Deshalb glaube ich schon, dass auch die Unterlegenen mit dem Ergebnis zurechtkommen.
DOMRADIO.DE: Annegret Kramp-Karrenbauer ist also neue CDU-Vorsitzende. Eine gute Wahl?
Jüsten: Ich kenne sie schon einige Jahre. Sie ist stark in der katholischen Kirche beheimatet. Das ist für uns natürlich eine sehr gute Wahl. Das wären die beiden anderen Kandidaten aber auch gewesen. Sie hat natürlich einen gewissen Vorteil gegenüber den anderen gehabt, weil sie als Generalsekretärin ins Rennen gegangen ist.
Sie weiß also genau, wo der Partei der Schuh drückt und kennt sehr viele Themen, die die Menschen und auch uns als Kirche bewegen. Sie hat ähnliche Antworten auf Fragen gegeben, wie wir sie als Kirche geben, sodass ich persönlich eigentlich mit der Wahl sehr zufrieden bin.
Geschichtlich ist wahrscheinlich besonders, dass eine Frau einer Frau folgt. Das ist ja eher selten. Dass dies beim Parteivorsitz passiert und möglicherweise auch in der Kanzlerschaft, ist schon etwas Besonderes.
DOMRADIO.DE: Alle drei Kandidaten sind katholisch. Sie werden jetzt mit einer Katholikin als CDU-Vorsitzenden zusammenarbeiten. Was heißt das denn für Ihre Arbeit genau?
Jüsten: Ich habe mit Bundeskanzlerin Merkel als Parteivorsitzende exzellent zusammengearbeitet. Das Konfessionelle ist heutzutage nicht mehr so entscheidend. Entscheidend ist, wie es die CDU immer wieder sagt und es auch von der SPD zu hören ist, dass Verantwortung aus christlichem Glauben übernommen wird. Solange ich das bei Politikern quer durch alle Parteien spüre, kommt man gut miteinander zurecht.
Bei Frau Kramp-Karrenbauer kann man sicher mehr voraussetzen, was das Katholische betrifft. Sie ist auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Ihre ganze Rede über spürte man, dass sie die katholische Soziallehre nicht nur verstanden hat, sondern auch anwendet. Von daher wird das sicher eine lebenspraktische Politik. Da liegen für uns sicher einige Chancen drin.
Aber, wie das immer so ist, sind da natürlich die Ansprüche größer. Ich vermute, dass bei uns in der Kirche auch mehr Hoffnung in sie gesetzt wird. Wenn die nicht erfüllt werden, ist der "Kater" umso größer. Von daher will ich jetzt mal die Erwartungen an sie nicht allzu hoch hängen. Sie muss erst in das Amt hineinfinden. Sie hat einen Startvorteil, weil sie vorher lange Generalsekretärin war und weiß, was die Partei braucht.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie der frisch gewählten künftigen CDU-Vorsitzenden für ihr neues Amt?
Jüsten: Zunächst einmal alles Gute, Gottes Segen und die nötige Kraft, so ein schweres Amt auch auszuüben. Ich wünsche, dass die CDU an der Stelle auch wirklich eine Union ist. Ich wünsche, dass Frau Kramp-Karrenbauer in der Großen Koalition schnell Fuß fasst und sich etabliert und dass dann in der Koalition wieder weiterregiert werden kann, sodass wir für unser Land gute Gesetze bekommen.
Vor allen Dingen wünsche ich ihr aber auch ein bisschen Glück – was man auch brauchen kann – und rein menschlich gesprochen, dass sie auch ein bisschen Zeit für sich selber findet, sodass das Leben nicht auf der Strecke bleibt.
Das Interview führte Heike Sicconi.