DOMRADIO.DE: Wie haben Sie von dieser schrecklichen Tat erfahren?
Rüdiger Popp (Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirche in Straßburg): Wir wohnen direkt dort, wo sich die Ereignisse zugetragen haben. Wir haben Menschen rennen sehen, haben dann auch einige Personen bei uns im Wohnzimmer und im Gemeindesaal aufgenommen, weil die Straßen frei werden mussten. Wir haben also zunächst einmal auf Informationen aus Presse und Medien gewartet. Bis sie dann kamen, haben wir schon von der Straße gehört, was passiert ist.
DOMRADIO.DE: Wie ist die Stimmung nach dem Anschlag jetzt in der Stadt?
Popp: Im Moment ist es noch etwas angespannt, natürlich auch, weil der Täter noch flüchtig ist. Wir sind ja hier direkt an der Grenze und da gibt es jetzt Verkehrskontrollen. Es gibt eine gewisse Anspannung, und die Präfektur hat uns auch gebeten, auf alle Manifestationen und Veranstaltungen zu verzichten, damit sich kein Menschenauflauf entwickeln kann.
DOMRADIO.DE: In Frankreich herrscht jetzt höchste Terrorwarnstufe. Was bedeutet das? Wie wirkt sich das auf den Alltag der Menschen aus?
Popp: Wir haben zum Beispiel bei unseren kirchlichen Veranstaltungen immer Sicherheitskontrollen, die wir jetzt verschärfen müssen. Das heißt, wenn Sie in ein öffentliches oder kirchliches Gebäude hineingehen, müssen Sie die Taschen und die Mäntel aufmachen. Der Weihnachtsmarkt wurde ja von Anfang an, seit Ende November, schon sehr stark überwacht - mit Sicherheitskontrollen und so weiter. Es gibt einfach diese Stimmung, dass jeder zeigen muss, dass er unbewaffnet ist, damit er hier zirkulieren kann.
DOMRADIO.DE: Der mutmaßliche Täter ist auf der Flucht. Wie groß ist die Angst, dass es noch zu weiteren Taten kommen kann?
Popp: Ich würde jetzt nicht von Angst sprechen. Ich denke, es gibt eine grundsätzliche Beklemmung in solchen Situationen. Diese Situation ist ja nicht neu. Wir haben in Frankreich seit 2015 immer wieder solche Krisen erlebt. Im Grunde ist für die Straßburger jetzt nur das ganz real geworden, was wir an anderen Orten in Frankreich erlebt haben. Ich glaube, dass wir nicht von Angst sprechen sollten, sondern eher von einer Art von größerer Aufmerksamkeit für Sicherheitsfragen oder auch Respekt der öffentlichen Ordnung gegenüber. Dass wir uns nicht beschweren, wenn wir kontrolliert werden, sondern dass wir in gewisser Hinsicht anerkennen, dass das notwendig ist.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, Sie haben gleich nach der Tat gestern Menschen bei sich im Wohnzimmer aufgenommen. Planen Sie denn jetzt als Kirchengemeinde Angebote für die Menschen, die Rat und Trost nach dieser Tat suchen?
Popp: Ja, wir haben im Stadtzentrum mehrere evangelische und katholische Citykirchen. Dort wollen wir offene Kirchen zum Gespräch anbieten und auch Zeiten des Gebets und der Andacht - heute Abend bei uns in der Kirche, morgen im katholischen Münster, am Freitag wieder in der evangelischen Kirche, sodass die Menschen Gelegenheit haben, sich zu sammeln und auch zusammen zu bleiben. Es ist wichtig, dass wir uns nicht trennen sondern, dass wir uns auch zwischen der evangelischen und katholischen Kirche und über die Religionen hinaus mit allen Menschen treffen.
Das Interview führte Katharina Geiger.