Vor 200 Jahren erklang erstmals "Stille Nacht"

Wie ein Pfarrer und ein Organist einen Welthit schrieben

Aus einer "einfachen Composition" entstand ein Welthit: Vor 200 Jahren wurde in der Kirche Sankt Nicola im österreichischen Oberndorf erstmals das Lied "Stille Nacht" aufgeführt.

Autor/in:
Barbara Just
Schöpfer des Weihnachtsliedes "Stille Nacht, heilige Nacht" / ©  Barbara Just (KNA)
Schöpfer des Weihnachtsliedes "Stille Nacht, heilige Nacht" / © Barbara Just ( KNA )

Es war der 24. Dezember 1818. Der "Hülfspriester" Joseph Mohr überreichte damals dem in der neu errichteten Kirche Sankt Nicola in Oberndorf eingesetzten Aushilfsorganisten Franz Xaver Gruber ein Gedicht. Damit sei das Ansuchen verbunden gewesen, "eine hierauf passende Melodie für 2 Solo-Stimmen sammt Chor und für eine Guitarre=Begleitung schreiben zu wollen", so erzählt es Gruber in einem Rückblick von 1854. Ohne Umschweife heißt es weiter: Noch am nämlichen Abend habe er dem musikkundigen Geistlichen seine "einfache Composition" gebracht, "welche sogleich in der heiligen Nacht mit allem Beifall produziert wurde".

Alles erfunden

So nüchtern beschreibt der Komponist (1787-1863) die Entstehungsgeschichte von "Stille Nacht". Dabei sollte diese am Heiligen Abend vor 200 Jahren erstmals aufgeführte "einfache Composition" ein unvergleichlicher Erfolg werden. Allerdings brachte sie ihren Urhebern zu Lebzeiten kaum Anerkennung, schon gar nicht Gewinn. Heute ist "Stille Nacht" das Weihnachtslied schlechthin, das weltweit in Hunderten von Sprachen gesungen wird. Viele bekannte Künstler von Elvis Presley über Helene Fischer bis zu den Toten Hosen haben es aufgenommen. Und natürlich ist es Tradition, dass es zum Abschluss einer jeden Christmette an Heiligabend erklingt.

Mit der Geschichte dieses weihnachtlichen Evergreens haben sich auch die Mythen gehalten. Die Orgel sei kaputt gewesen, weil eine Maus den Blasebalg zernagt habe, ist oft zu lesen. Alles erfunden, weiß Thomas Hochradner von der Universität Mozarteum in Salzburg. Allem Anschein nach sei das vorhandene Instrument spielbar gewesen. Zeitgenössische Dokumente berichteten nur, dass der Klang den Kirchenraum nicht zu füllen vermochte. Gruber sang bei der Uraufführung übrigens Bass, Mohr Tenor.

Romantische Schneelandschaften

In Oberndorf hat man den beiden ein Denkmal gesetzt. Es steht direkt vor der 1924 begonnenen und 1937 fertiggestellten "Stille Nacht"-Kapelle. Sie wurde an jener Stelle neben der Salzach errichtet, wo einst die 1906 abgerissene Kirche Sankt Nicola ihren Platz hatte. Getaucht in eine romantische Schneelandschaft dürfte das kleine Gotteshaus eines der beliebtesten Fotomotive zur Weihnachtszeit sein.

Der Text für das Weihnachtslied mit seinen im Original sechs Strophen entstand indes etwas früher, nämlich um 1816, wie Bernhard Rohrmoser, Pfarrer von Mariapfarr im Salzburger Land, erzählt. Ein Altarbild in der dortigen Kirche soll den Priester inspiriert haben. Zeigt es doch die "Anbetung der Weisen" mit dem "holden Knaben im lockigen Haar".

Eine besondere Beziehung

Das Gotteshaus wurde im August dieses Jahres angesichts des Jubiläums von Papst Franziskus zur "Basilica minor" erhoben. An den Autor von "Stille Nacht" erinnert im Ort der gleichnamige Brunnen, den der rührige Rohrmoser selber mit einer Büste von Mohr (1792-1848) und einer Weltkugel gestaltet hat.

Der 67-jährige Geistliche hat zum Autor von "Stille Nacht" eine besondere Beziehung. Mariapfarr, wo Mohr einen seiner ersten Einsätze hatte, werde wohl für ihn seine letzte Pfarrstelle sein, sinniert Rohrmoser. Dagegen sei er am Anfang seiner priesterlichen Laufbahn in Wagrain gewesen, wo Mohr auf dem örtlichen Friedhof beerdigt wurde.

"Wie hättest Du das jetzt gemacht?"

"Als junger Pfarrer bin ich öfter dorthin gegangen, wenn ich nicht weiter wusste", erzählt der Priester: "Dann habe ich ihn einfach gefragt: Wie hättest Du das jetzt gemacht?"

Zillertaler Sänger trugen "Stille Nacht" nach Übersee hinaus, von dort gelangte es in alle Welt. Auch von Gruber würde man gerne wissen, was an dieser Musik so besonders ist, dass sie sich überall in die Ohren der Menschen einschmeicheln konnte? Musikwissenschaftler Hochradner kann darauf stellvertretend nicht wirklich eine Antwort geben. "Einfache musikalische Struktur, warme Dur-Tonart, beruhigende Wirkung und ein wiegender 6/8-Takt", nennt er als Kennzeichen. So bleibt 200 Jahre später das Geheimnis weiter bestehen, vermutlich weil jeder sein ganz eigenes "Stille Nacht"-Erlebnis hat.


Quelle:
KNA