Kardinal Marx bekräftigt die Bedeutung von Sonn- und Feiertagen

Der Tag des Herrn?

Ausschlafen oder Zeit für Hobbys? Kardinal Marx wünscht sich, dass der erste Tag der Woche an Bedeutung zunimmt. Obwohl er Verständnis für Menschen hat, die mit der Kirche hadern, gehöre der Sonntag zur Identität der christlichen Gesellschaft.

Bedeutung des Sonntags wiederentdecken / © Harald Oppitz (KNA)
Bedeutung des Sonntags wiederentdecken / © Harald Oppitz ( KNA )

Für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx sind die Feiertage sehr wichtig: "Sie eröffnen den Menschen einen Freiraum, Gemeinschaft zu erleben und durchzuatmen", sagte er im Interview der "Bild am Sonntag". "Viele freuen sich, wenn sie Zeit finden, einmal zur Oma zu fahren oder gemeinsam ein Festessen zu kochen." Als Bischof sage er: "Vergesst nicht, in den Gottesdienst zu gehen, also Gott auch Raum zu geben! Die freie Gesellschaft bietet uns Räume. Sinnvoll nutzen müssen wir sie schon selbst."

Der Sonntag solle nicht angetastet werden, sagte der Kardinal. "Der Sonntag ist eines der wesentlichen Identifikationsmerkmale der christlich geprägten Gesellschaft. Schade finde ich, wenn man auch am Sonntag unter Zugzwang gerät und die vielen unterschiedlichen Dinge nicht unter einen Hut bekommt." Manche Ministranten etwa seien gestresst, wenn sie am Sonntagvormittag mit ihrer Fußballmannschaft spielen sollten. "Vielleicht könnten die Verbände die Sonntagsspiele ja auch nachmittags ansetzen."

Verständnis für Menschen, die mit der Kirche hadern 

Marx zeige jedoch Verständnis für Menschen, die mit der Kirche hadern. "Als Institution sind wir seit Jahren ohne Zweifel in einer tiefen Krise und werden in unserer Glaubwürdigkeit durch jeden Skandal erschüttert. Ich kann verstehen, wenn viele mit dieser Institution hadern", sagte er weiterhin im Interview.

So sei beim Thema sexueller Missbrauch zwar bei Prävention und Aufarbeitung vieles in Gang gebracht worden. "Doch wir haben noch einen gehörigen Weg vor uns. Es bleiben systemische Fragen. Es geht um wichtige Schritte zur Reform der Kirche", betonte Marx. Dazu komme, dass die Kirche "heute in einer freien pluralen Gesellschaft viel stärker sichtbar machen muss, warum der Glaube positiv für das jeweilige Leben ist".

Auf die Frage, wie Vertrauen zurückgewonnen werden könne, sagte der Kardinal: "Wir haben klare Beschlüsse gefasst, was die Punkte Orientierung an Betroffenen, Aufarbeitung, Prävention und Personalführung angeht." Zudem werde man sich "auf den Weg machen", grundlegendere Fragen anzugehen wie Sexualmoral, Ausbildung und Lebensform der Priester "sowie das Thema Macht und Teilhabe in der Kirche".

Weihnachtsnmarkt, nicht Wintermarkt

Marx zeigte sich besorgt angesichts eines Mitgliederschwunds in der Kirche. Der Auftrag Jesu laute aber nicht "habt viele Mitglieder!, sondern: Tut euren Dienst!" Und da er, Marx, keinen Zweifel, dass es auch künftig noch Menschen geben werde, "die das Evangelium leben und die Heilige Messe feiern".

Kritik über der Kardinal an der Umbenennung von Weihnachtsmärkten in "Wintermärkte" oder von Sankt Martin in "Sonne, Mond und Sterne"-Feiern. "Aber es liegt an uns Christen selbst, unsere Gesellschaft zu gestalten", sagte Marx. Wer christliche Traditionen erleben und eine christliche Prägung Deutschlands fortschreiben wolle, "der sollte sie auch selbst mit Leben erfüllen wollen". Marx weiter: "Das endet nicht mit Weihnachtsmärkten oder damit, dass wir den heiligen Nikolaus wichtiger finden als den Weihnachtsmann. Da steht mehr auf dem Spiel."

Flüchtlingsdebatte differenziert betrachten

Kardinal Marx betont im Interview unterdessen die christliche Verantwortung in der Flüchtlingsdebatte. Er wirbt für eine differenzierte Sichtweise. "Wir können nicht alle Menschen bei uns aufnehmen. Aber wir tragen auch für diejenigen Verantwortung, die etwa keinen Asylanspruch haben und deswegen zurückgehen müssen", sagte Reinhard Kardinal Marx. Dabei handele es sich um Menschen, die mitunter mehrere Jahre unterwegs gewesen seien und danach einige Jahre in Deutschland gelebt hätten.

"Für sie bedeutet eine Rückkehr in die Heimat in der Regel Schande", erinnerte Marx. Die Frauen seien oft missbraucht worden. "Wie sollen sie wieder in ihr Dorf und ihre Gemeinschaft zurückkehren?", fragt der Kardinal. Deshalb gebe es in Zusammenarbeit mit der Kirche vor Ort auch karitative Anlaufstellen, um die Rückkehr zu erleichtern. "Zu meinen, wir setzen jemanden einfach ins Flugzeug, und dann ist alles wieder wie es war, ist zu einfach gedacht."

Die christliche Verantwortung ende nicht, wenn Menschen bei einer Abschiebung in ein Flugzeug gesetzt würden, betonte Marx. "Wer langfristig denkt, sollte aber auch politisch überlegen, wie die Menschen in ihren Ländern eine faire Chance bekommen. Kann man dort investieren? Bekommen die Menschen dort eine Ausbildung?" Es gehe darum, die Verhältnisse in den Herkunftsländern zu verbessern, damit die Menschen dort bleiben könnten. Mit Blick auf ausländische Straftäter sagte Marx: "Wenn jemand eine Straftat begangen hat, so muss diese konsequent geahndet werden – bis hin zu einer möglichen Abschiebung."

Auf die Frage, ob man Christ und zugleich AfD-Mitglied sein könne, antwortete Marx: "Ich habe immer gesagt, Christen müssen ganz grundsätzlich genau überlegen, hinter welchen Parolen sie herlaufen." Die christliche Botschaft handele von Liebe und Barmherzigkeit und auch davon, dass jeder Mensch die gleiche Würde hat, "weil er Ebenbild Gottes ist". Rassismus und Nationalismus seien damit nicht vereinbar. Auf diese Punkte hin müssten "alle Parteiprogramme und Äußerungen von Politikern geprüft" werden.

Angesprochen auf Vorwürfe von Populisten, die beiden großen Kirchen machten sich mit dem "Establishment" gemein, sagte Marx, er bekomme von "allen möglichen Seiten" oft Hassbriefe. "Manchmal gibt es auch Drohungen." Die gebe man auch an die Polizei weiter." (KNA)


Kardinal Marx / © Dedert (dpa)
Kardinal Marx / © Dedert ( dpa )

Eine junge Frau betet für die Opfer von Missbrauch durch Kirchenmitglieder / © Fabrice Caterini-Inediz (KNA)
Eine junge Frau betet für die Opfer von Missbrauch durch Kirchenmitglieder / © Fabrice Caterini-Inediz ( KNA )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema