Juncker skeptisch EU-Ratspräsidentschaft unter schwierigsten Vorzeichen

Rumänien übernimmt auf der Baustelle Europa

An Neujahr übernimmt Rumänien den schwierigen EU-Ratsvorsitz. Doch das politische Bukarest bietet derzeit eher Schlachtfeld und Desaster statt Orientierung. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist skeptisch.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission, und Viorica Dancila, Ministerpräsidentin von Rumänien / © Geert Vanden Wijngaert (dpa)
Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission, und Viorica Dancila, Ministerpräsidentin von Rumänien / © Geert Vanden Wijngaert ( dpa )

"Wird's besser? Wird's schlimmer?, fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich." So schrieb Erich Kästner, nur scheinbar leichthin, in den 1920er Jahren. Für die EU wird 2019 wenn nicht lebensgefährlich, so doch zumindest ein sehr sehr schwieriges Jahr.

Menschenrechte, Multilateralismus, Freihandel, demokratische Standards werden demontiert und ausgehöhlt. Populisten und Faktenerfinder gewinnen weltweit an Boden. Ein Steve Bannon tourt durch Mittel- und Osteuropa, um Hass und Zwietracht zu säen. Die Solidarität in der EU zerbröselt; und selbst der GAU und Sündenfall der EU, der "Brexit", funktioniert nicht. Die Zugpferde Macron und Merkel lahm, die Juncker-Kommission vor dem Absprung.

Politisch schwierige Lage

In diesem trostlosen Tableau soll zum 1. Januar, dem 20. Jahrestag des Euro, ausgerechnet Rumänien den EU-Ratsvorsitz übernehmen. Dabei bietet das politische Bukarest selbst eher Schlachtfeld und Desaster statt Orientierung. Rumäniens Politik ist verkeilt im Dauerzweikampf zwischen Schatten-Regierungschef Liviu Dragnea und Staatspräsident Klaus Iohannis, der sich eigentlich den Kampf gegen die grassierende Korruption auf die Fahnen geschrieben hat. Doch Iohannis steht auf verlorenem Posten gegen die regierenden Sozialdemokraten Dragneas, die genau dies verhindern wollen – und ihm auch die letzten verfassungsmäßigen Instrumente dafür aus der Hand geschlagen haben.

Schon seit langem blockieren sich der bürgerliche Präsident und die nominell sozialdemokratische PSD. Im Dezember 2016 hatte die Nachfolgepartei der Kommunisten bei den Parlamentswahlen einen Erdrutschsieg gelandet – und das, obwohl praktisch die gesamte Parteielite wegen Wahlfälschung, Korruption oder anderer Delikte vorbestraft ist oder juristisch belangt wurde.

Hoffnungsträger kommt aus Deutschland

Iohannis war Ende 2014 als bürgerlicher Außenseiter angetreten, mit dem Versprechen, die grassierende Korruption zu bekämpfen. Der heute 59-Jährige, Mitglied der deutschstämmigen Minderheit der Siebenbürger Sachsen und zuvor Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt), war Hoffnungsträger derer, die den lauten und unsauberen Politikstil der bisherigen Eliten nicht mehr wollten.

Doch nach seinem Triumph über den skandalträchtigen PSD-Ministerpräsidenten Victor Ponta, der Ende 2015 zurücktreten musste, konnte das von Iohannis berufene Expertenkabinett nur wenig bewirken. Zudem zerfleischte sich seine Partei PNL in internen Streitigkeiten selbst. Während die Postkommunisten ihre vor allem auf dem Land treue Stammwählerschaft mobilisieren konnten, blieben die Anhänger eines Politikwechsels desillusioniert den Urnen fern.

Zwei Jahre auf Bewährung für den Ministerpräsidenten 

Mit ihrer – eigentlich rational unfassbaren – absoluten Mehrheit konnte die PSD nach und nach auch die vom Präsidenten durchgesetzte Stärkung der Antikorruptionsbehörde DNA wieder kippen. Zwar konnte Iohannis noch PSD-Chef Dragnea als Ministerpräsidenten verhindern – weil der wegen Wahlfälschung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt ist. Doch mit seiner großen Macht in Parlament und Gesetzgebung trieb der 56-Jährige den Präsidenten derart in die Defensive, dass dieser im Juli auf Anordnung des Verfassungsgerichts sogar die oberste Korruptionsbekämpferin Laura Codruta Kövesi entlassen musste – um selbst einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zu entgehen.

Diesen gefühlten Verrat an der Sache haben viele Unterstützer Iohannis nicht verziehen – der sich zuvor immer demonstrativ hinter Kövesi und ihre Mission gestellt hatte. Nützlich wäre allemal, wenn der Präsident seine Entscheidungen nachvollziehbar vermitteln würde. Doch der kreuzseriöse Sachse ist in seiner Kommunikation eher spröde als geschmeidig – was ihm seine schwierige Aufgabe keineswegs erleichtert.

Theoretisch gut vorbereitet, aber...

Im Tagesgeschäft ist ohnehin nicht der sehr europafreundliche Präsident am Ruder, sondern die ganz Dragnea ergebene PSD-Ministerpräsidentin Viorica Dancila. Während ihrer Amtszeit im EU-Parlament (2014 bis Januar 2018) rangierte die 55-Jährige in puncto Anwesenheit nur auf Platz 700 von 751 Abgeordneten. Ob sie nun die Belange der EU für die Ratspräsidentschaft mit mehr Eifer verfolgen wird?

Zweifel daran hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angemeldet. Zwar sei Rumänien "technisch gut vorbereitet", sagte er der "Welt am Sonntag". Er wisse aber nicht, ob die Regierung in Bukarest vollumfänglich begreife, was EU-Vorsitz bedeute. Dafür brauche es auch Bereitschaft und Willen, anderen zuzuhören – und "eigene Anliegen hintanzustellen".


Quelle:
KNA