Wie Perus Bürger gegen die Korruption im Land kämpfen

Protestmärsche gegen die Ungerechtigkeit

In Peru haben immer mehr Menschen die im Lande herrschende Korruption satt. Mit stetigem Protest kämpfen Kirche und Zivilgesellschaft für einen Wandel.

Autor/in:
Hildegard Willer
Proteste gegen Korruption in Peru / © Vitor Castellar (dpa)
Proteste gegen Korruption in Peru / © Vitor Castellar ( dpa )

Lisette Menacho hatte schon Karten für das Silvesterkonzert und sich dort mit Freunden verabredet. Dann kam die Meldung: Generalstaatsanwalt Pedro Chavarry setzt die beiden Korruptionsermittler Jose Domingo Perez und Rafael Vela ab. "Wir beschlossen spontan, uns statt beim Konzert auf dem Platz San Martin zu treffen und dagegen zu protestieren", erzählt die 34 Jahre alte Kommunikationsfachfrau aus Lima.

Mit mehreren tausend Gleichgesinnten protestierten sie dort gegen die Absetzung. Statt Böller in die Luft zu schießen, stimmten sie zu Beginn des neuen Jahres gemeinsam die peruanische Nationalhymne an. "Wir dachten, dass wir endlich beim Kampf gegen die Korruption weitergekommen seien, da konnten wir doch einen solchen Rückschlag nicht einfach hinnehmen", sagt Menacho.

Immer mehr Enthüllungen

Seit Juli 2018 bestimmen Enthüllungen über korrupte Richter und Politiker das öffentliche Leben Perus. Nicht dass Korruption in Peru etwas Neues wäre. Seit der spanischen Kolonialherrschaft ist Korruption eine Konstante im peruanischen Leben. Neu ist, dass seit Juli alle hören können, wie hohe Richter vorteilhafte Urteile an den Meistbietenden oder an Freunde verschachern. Das Recherche-Portal IDL-Reporteros veröffentlichte Telefonmitschnitte von einem Whistleblower im Justizwesen.

"Gerade Korruption bei Polizei und Justiz ist normalerweise schwer zu beweisen", sagt Birgit Weiler, deutsche Ordensfrau und Theologin an der Jesuiten-Universität Antonio Ruiz de Montoya. Sie selbst ist in den 30 Jahren, die sie schon in Peru lebt, öfter mit dem Thema konfrontiert worden. "In den Bussen sieht man oft, wie die Fahrer einen Obolus an die Polizisten zahlen, um keinen Strafzettel zu bekommen". "Aber Korruption hat nur dann eine Chance, wenn die Menschen dabei mitmachen", sagt Weiler.

Korruption ist Alltag

Neben kleinen "Gefälligkeiten" im Alltag ist es in erster Linie die Korruption auf höchster Ebene, die viele Peruaner wütend macht.
Auslöser der aktuellen Empörungswelle war der Skandal um das brasilianische Bauunternehmen Odebrecht. Der Konzern hatte auch in Peru zahlreiche Großprojekte mit staatlichen Mitteln umgesetzt und dabei Entscheidungsträgern satte Schmiergelder gezahlt. Praktisch alle wichtigen Politiker des Landes sollen illegale Wahlkampfspenden bekommen haben.

Die am Silvesterabend abgesetzten Staatsanwälte hatten in einem "Lava-Jato" genannten Korruptionsfall gegen hohe peruanische Politiker ermittelt und standen laut Medienberichten kurz vor Abschluss einer Kronzeugenregelung mit dem brasilianischen Unternehmen. Im Dezember noch hatte Staatsanwalt Perez eine Politikerin in Untersuchungshaft geschickt.

Für Viele zählt nur wirtschaftlicher Erfolg

"Endlich sahen wir, dass auch die Großen drankommen", sagt Enrique Davila. Der 33 Jahre alte Theologe koordiniert das Missionszentrum der Columbaner-Patres in Lima. Auch er und seine Freunde änderten spontan ihre Silvesterpläne und gingen stattdessen zum Protestieren. "Wir kämpfen hier nicht für einen bestimmten Staatsanwalt", so Davila. "Wir sind hier, weil wir wollen, dass die Institutionen unseres Landes funktionieren." Für viele Menschen in Lima zähle nur wirtschaftlicher Erfolg, kritisiert Davila. Werte wie Demokratie oder der Einsatz für das Gemeinwesen blieben allzu oft auf der Strecke.

Doch inzwischen zeigen sich erste Veränderungen in der Mentalität - vor allem bei jungen Peruanern. "Das Bewusstsein in der Bevölkerung, dass Korruption ein Übel ist, nimmt zu", sagt der Jesuit Ernesto Cavassa, Rektor der Universität Ruiz de Montoya. An seiner Hochschule spielt Ethik eine große Rolle. Vor kurzem hat die Uni eine Korruptionsstudie vorgestellt. "Um Korruption wirksam zu bekämpfen, braucht es Politiker, die dies wirklich wollen; Transparenz in der Verwendung öffentlicher Mittel und die Beteiligung der Bürger", meint Eduardo Vega, der die Studie koordiniert hat.

Der Protest am Silvesterabend war erfolgreich. Am Mittwoch gab Generalstaatsanwalt Chavarry bekannt, dass er die beiden Korruptionsermittler wieder ins Amt eingesetzt habe. Die Wachsamkeit der Bürger lässt jedoch nicht nach. Am Donnerstag marschierten erneut Tausende Peruaner in der Altstadt Limas und skandierten "Chavarry fuera" - nun müsse der als korrupt geltende oberste Staatsanwalt gehen. Auch Rektor Cavassa nahm mit seinen Professoren und Studierenden an der Demo teil: "Wir tun als Universität alles, damit die Geißel der Korruption ausgemerzt wird", so der Jesuit.

 

Quelle:
KNA