Panama: Gastgeberland des Weljugendtages

"Ein spannendes Land mit einer ungeheuren Vielfalt!"

​Zehntausende Jugendliche aus aller Welt reisen in diesen Tagen nach Panama, wo am 21. Januar der Weltjugendtag beginnt. Was ist das für ein Land und was erwartet die Pilger dort?

Jugendlicher aus Panama / © Harald Oppitz (KNA)
Jugendlicher aus Panama / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: In diesen Tagen werden sich 2.300 Jugendliche aus Deutschland und 200.000 aus der ganzen Welt auf den Weg nach Panama zum Weltjugendtag machen. Was erleben die Pilger dort?

Inés Klissenbauer (Mittelamerika-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat): Panama ist ein wunderschönes Land mit Küsten sowohl am Pazifik als auch am Atlantik. Die Pilger erwartet eine multiethnische Gesellschaft, die auch die bewegte Geschichte des Landes widerspiegelt: Verschiedene indigene Völker und Nachfahren von afro-karibischen Stämmen konnten sich dort trotz der brutalen Kolonialzeit behaupten und leben dort bis heute ihre Traditionen und Gebräuche. Es gibt aber auch viele Chinesen und andere Nationen, die sich in Panama niedergelassen haben. Panama ist ein spannendes Land mit einer ungeheuren Vielfalt und das ist das Faszinierende.

DOMRADIO.DE: Panama bringt man mit dem Panama-Kanal in Verbindung. Die Reichen der Welt parken gerne ihre Millionen in dem kleinen Land – das wissen wir spätesten seit den "Panama-Papers": Ist Panama ein reiches Land?

Klissenbauer: Panama ist ein sehr reiches Land. Es bezieht jährlich Milliarden-Einkünfte aus dem Kanal, der vor drei Jahren noch mal erweitert wurde, jetzt können dort noch mehr und noch größere Ozeanriesen die Passage durchqueren.

Panama ist auch ein internationales Handels- und Bankenzentrum. Es hat die zweitgrößte Freihandelszone der Welt und natürlich wird in Panama sehr viel Geld umgesetzt, viele Menschen leben dort in Luxus und dieser Reichtum spiegelt sich für uns natürlich in der atemberaubenden Skyline mit den zahlreichen Wolkenkratzern. Gerade in der Hauptstadt ist die Infrastruktur des täglichen Lebens sehr gut. Aber das muss man bezahlen können.

DOMRADIO.DE: Profitiert denn die ganze Bevölkerung von diesem Reichtum?

Klissenbauer: Das ist der große Haken: Panama ist nach Brasilien das Land Lateinamerikas, wo die Ungleichverteilung des Einkommens am größten ist. In Panama leben 36 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, das sieht man vor allem auf dem Land, dort leben einfache Bauern, Indigene und Afro-Panameños, also die Nachfahren der Kanalarbeiter, in großer Armut. Aber auch in Panama Stadt gibt es sehr viele Armenviertel, wo Menschen ein Leben in Perspektivlosigkeit und Armut fristen. Mit anderen Worten: Panama ist ein Beispiel für die Länder, die das große Gefälle zwischen Arm und Reich nicht in den Griff bekommen.

DOMRADIO.DE: Woran liegt das?

Klissenbauer: Es ist auch ein Erbe aus der Kolonialzeit, eine Folge der ausgeprägten Klassengesellschaft Panamas: Wenn man sich die Bevölkerungspyramide in Panama anschaut, dann stehen ganz unten die Indigenen, die Afro-Karriben und die Afro-Panameños, also die Menschen, die zu Kolonialzeiten als Sklavenarbeiter ausgebeutet wurden.

Zudem ist die Korruption sehr verbreitet, vor allem unter den wirtschaftlichen und politischen Eliten des Landes. In Panama, wie auch in den Nachbarländern, gilt: Wer nicht für sich selber kämpft, wer keine starke Lobby hat, wird in der Politik nicht berücksichtigt.

Wer in Panama arm ist, der bleibt es meist sein Leben lang. Denn die Politik tut wenig, um Menschen zu fördern: Die Schulbildung ist nicht ausreichend, viele Regionen sind infrastrukturell total vernachlässigt, es wird einfach nicht in Menschen investiert. Daran krankt das Land.

DOMRADIO.DE: Viele – vor allem Eltern von Weltjugendtagsteilnehmern – sorgen sich vielleicht, weil in vielen zentralamerikanischen Ländern die Gewalt ausufert. Warum ist das in Panama nicht so?

Klissenbauer: Weil Panama einen relativen Reichtum hat: Panama ist sozusagen der Magnet in der Region. Es kommen viele Menschen aus Kolumbien, Venezuela, Nicaragua oder Honduras, die auf der Flucht vor der Gewalt in ihrer Heimat sind und in Panama Arbeit finden. Der Bausektor hat lange Zeit geboomt. Das hat sich ein bisschen abgeschwächt in den letzten Jahren, aber Panama bietet immer noch sehr viele Arbeitsplätze. Von daher bietet Panama einen gewissen Lebensstandard für Menschen, es gibt eine strukturelle Ungleichheit, aber die ist nicht so ausgeprägt wie in den Nachbarländern. Deswegen sind die Gewaltraten nicht so hoch.

Es gibt zwar Armenviertel, in die man als Besucher nicht alleine gehen sollte, aber eigentlich kann man sich in Panama mit der gebotenen Vorsicht, die man immer haben sollte, sehr frei und sicher bewegen.

DOMRADIO.DE: Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat organisiert für 600 deutsche Pilgerinnen und Pilger während des Weltjugendtages Besuche in sozialen Projekten, beispielsweise in der Aids-Pastoral oder einem Projekt für Indigene. Was erleben die Jugendlichen dort?

Klissenbauer: Die Projekte ermöglichen den direkten Kontakt zur Bevölkerung und zu deren Realität. Sie werden Menschen begegnen, die zu einer Bevölkerungsgruppe gehören, die Diskriminierung erfährt und auch eine Beeinträchtigung für ihre Entwicklung erlebt. Das wird beispielsweise bei Besuchen beim Volk der Kuna sehr anschaulich: Die Pilger werden erfahren, was es bedeutet, als Kuna in Panama aufzuwachsen. Sie können mit den Menschen in Kontakt kommen und eben auch die Schattenseiten dieses enormen Reichtums in Panama sehen. Das ist die andere Realität des Landes, die wir den Jugendlichen auch nahe bringen wollen.

DOMRADIO.DE: Was erhofft sich Adveniat von diesem Weltjugendtag? Was sollten die Jugendlichen im besten Fall von diesen zwei Wochen mitnehmen?

Klissenbauer: Ich denke, die Jugendlichen werden sehr viel Gastfreundschaft erleben, lateinamerikanische Lebensfreude und sehr viel Begeisterung, die ansteckend ist. Und das gerade in einem Land, wo es viele Jugendliche nicht leicht haben, wo vieles, was bei uns selbstverständlich ist,  für die jungen Menschen mit sehr viel Kampf und großem Einsatz verbunden ist. Von daher ist es ein wichtiges Erlebnis, das mitzuerleben und zu sehen, dass Menschenrechte für alle gelten und wie wichtig ein Miteinander leben und Teilen sein kann.

Das Interview führte Ina Rottscheidt.


Indianer vom Stamm der Kuna tanzen in Panama City. / © Michael Althaus (KNA)
Indianer vom Stamm der Kuna tanzen in Panama City. / © Michael Althaus ( KNA )
Quelle:
DR