DOMRADIO.DE: Knapp 200 US-Bischöfe haben sich eine Woche lang zurückgezogen. Das war bewusst kein öffentliches Treffen. Was weiß man denn darüber?
Klaus Prömpers (USA- und Kirchenexperte, ehemaliger ZDF-Korrespondent in den USA): Man kennt den Beginn und man weiß von dem Brief des Papstes. Der Papst schrieb am 1. Januar einen Brief an die Bischöfe in den USA, die sich dort versammelten und machte in diesem Brief klar, dass es keine Strafaktion war, sondern im Grunde bereits bei einer letzten Visite einer Vertretung der amerikanischen Bischofskonferenz beim Papst am 13. September 2018 vereinbart oder ins Auge gefasst worden war. Also noch weit vor der Vollversammlung der Bischöfe, die ja leider ergebnislos zu Ende gehen musste, weil der Vatikan die Bischofskonferenz der USA bat, keine Beschlüsse zu veröffentlichen, bis dieses Bischofskonferenztreffen Ende Februar im Vatikan zu Ende gegangen sein wird. Ein Treffen, bei dem man versuchen wird einheitliche Maßregeln für die gesamte katholische Kirche weltweit zu finden. Ob das gelingt, ist die Frage.
Die Bischofskonferenz in den USA ist in dieser Frage sehr zerstritten. Das hatte die Bischofskonferenz im November dokumentiert, als die Bischöfe zum Beispiel eine Resolution ablehnten, die sie durchaus hätten fassen können, nämlich die Veröffentlichung aller Materialien zu dem mittlerweile vom Papst geschassten ehemaligen Kardinal McCarrick aus Washington D.C. Darin zeigte sich, 137 Bischöfe waren gegen eine Veröffentlichung und nur 83 dafür. Da gibt es einen tiefen Riss in der Bischofskonferenz über die Frage, wie man mit den Missbräuchen umgehen soll.
DOMRADIO.DE: Sie haben es gerade gesagt, das Ganze findet im Vorfeld eines Treffens im Vatikan statt, zu dem Papst Franziskus für nächsten Monat die Vorsitzenden aller nationalen Bischofskonferenzen der Welt lädt, um über den Umgang mit dem Thema Missbrauch zu diskutieren. Jetzt sind die USA neben Ländern wie Chile, Australien oder auch Deutschland ein Land, das mit am Meisten in den Schlagzeilen steht, wenn es um das Thema Missbrauch geht. Warum ist das gerade in Amerika so ein großes Problem?
Prömpers: Es ist die schiere Größe dessen, was da passiert ist und was jetzt offenbart wird. Im August letzten Jahres wurde über die Tatsache berichtet, dass in Philadelphia und im Bundesstaat Pennsylvania insgesamt über 1.000 Priester in den letzten 70 Jahren Missbrauch ausgeübt haben. Viele davon sind mittlerweile verstorben. Das zog nach sich, dass mittlerweile in 20 Bundesstaaten der USA von Generalstaatsanwälten untersucht wird, was da in der katholischen Kirche vorgefallen ist. Das zog nach sich - auch jetzt im Vorfeld dieses Rethreads, dieses Exerzitien-ähnlichen Treffens der Bischöfe in den USA -, dass 1.000 Fälle von verschiedenen Diözesen gemeldet worden sind, die mal genauer in ihre Akten geschaut haben.
Aber das heißt ja nicht, dass alle 193 Diözesen bereits offenbart haben, was innerhalb ihrer Mauern, wenn man so will, vorgefallen ist, sondern nur ein Teil dieser Diözesen. Ein Teil der Bischöfe, die im Amt sind, ist durchaus selber betroffen, entweder durch Vertuschung oder durch eigenes Handeln in der Vergangenheit. Organisationen, die sich der Opfer annehmen und die von Opfern gebildet worden sind, fordern zum Teil Rücktritte von Bischöfen, die es bisher aber wenig gegeben hat. Dazu gibt es eine sehr starke Auseinandersetzung. Ob sie durch diese Exerzitien überwunden werden, das werden wir erst Ende Februar beurteilen können.
DOMRADIO.DE: Es gibt sogar Gruppen, die fordern, dass die US-Bischofskonferenz ihren Rücktritt komplett geschlossen gegenüber dem Papst anbieten soll. Das ist kein einmaliger Schritt, das ist in Chile zum Beispiel genau so passiert. Wäre das denn eine Lösung für das Problem?
Prömpers: Denkbar wäre das naturgemäß, aber ich glaube nicht, dass es so kommen wird. Denn man muss schon sehr zwischen denen unterscheiden, die weiter vertuschen wollen, die aus Angst lieber nichts veröffentlichen wollen und denen, die den Papstaufrufen schon bisher gefolgt sind. Aufrufen, wie: "Wir müssen transparent und offen unsere Sünden eingestehen und vor der Öffentlichkeit und den Gläubigen sagen, was war. Wir müssen das in den Griff bekommen, auch dadurch dass man mit den Opfern spricht".
Opferorganisationen fordern die Bischöfe jetzt weltweit dazu auf, vor diesem Treffen im Vatikan noch einmal mit Opferorganisationen, mit Opfern zu sprechen, sich nicht nur bei ihnen zu entschuldigen, sondern auch zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, dass so lange vertuscht worden ist. In der Selbstreflexion möglicherweise, die ja bei diesem Treffen in Teilen sicherlich stattgefunden hat, was aber – wenn man so will - etwas nachgebildet war. Jene Rückzüge gab es zum Beispiel auch schon bei Jesus über eine Woche oder länger, die ihn in die Wüste führten, wenn er an bestimmten Stellen seines Lebens nicht weiter wusste.
DOMRADIO.DE: Sie haben lange in den USA gelebt, Sie haben auch heute noch ein gutes Bild vom Land. Hat sich denn das Bild der katholischen Kirche durch all das, was wir in den vergangenen Monaten bzw. eigentlich schon seit Jahren in den Schlagzeilen lesen konnten, in der Öffentlichkeit geändert?
Prömpers: Es ist ähnlich wie in der Politik. Die katholische Kirche in den USA ist gespalten zwischen den sehr konservativen Kräften und den eher - ich würde sagen - fortschrittlichen Kräften. Das ist ein sehr tiefer Schnitt. Es gibt sehr viele Gemeinden in den USA, die leben noch in einer Art und Weise wie sie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil üblich war. Das zeigt sich in der Messe, das zeigt sich auch in der hierarchischen Struktur dieser Gemeinden und in der Orientierung in den Gemeinden, auch bischöflichen.
Auf der anderen Seite gibt es sehr aktive, sehr lebendige Gemeinden, beispielsweise die Gemeinde der Franziskaner in Manhattan, die seit 1936 ohne Unterlassung und mit nur fünf Tagen Ausnahme jeden Morgen um 6 Uhr eine Armenspeisung macht. Insofern sind sie schon seit 1936 auf dem Pfad, den Papst Franziskus der Kirche jetzt wieder in Erinnerung gerufen hat und den er versucht durchzusetzen. Das ist offensichtlich nicht einfach, angesichts des Beharrungsvermögens der etablierten und hierarchischen Strukturen der Kirche.
DOMRADIO.DE: Eine Frage noch zu Donald Trump. Er hat gestern im Fernsehen weitere Unterstützung und weitere Gelder für den Bau seiner Grenzbefestigungen, seine Mauer zu Mexiko gefordert. Was sagt eigentlich die Kirche in Amerika zu diesem Thema?
Prömpers: Die hat schon vor Jahresfrist "Nein" zu dieser Lösung gesagt und sie wird es sicher jetzt auch wiederholen. Denn gerade in dieser Woche vom 6. bis zum 13. Januar findet die jährliche Woche der Migranten statt. Die steht unter dem Zeichen der ausgestreckten Hand gegenüber der Migranten. Natürlich muss man die Zahl der Einwanderer begrenzen, aber nicht auf diese Art und Weise wie Donald Trump es will, der von einem Notstand spricht, von dem sonst kaum einer spricht im Lande. Denn die Zahlen sind unter seinen zwei Jahren als Präsidenten eher nach unten gegangen.
Die katholische Bischofskonferenz und die Migrationswoche wollen alle Pfarrgemeinden in den USA dazu anhalten, darüber in Ruhe nachzudenken und gegenüber jenen Migranten, egal ob sie Asylbewerber seien oder illegale Migranten, die christliche Nächstenliebe auszuüben und sie zunächst einmal anzunehmen. Erst dann solle man versuchen Wege zu finden, wie man diesen Menschen tatsächlich helfen kann, sowohl in den USA als auch in den Heimatländern.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.