Der 19. Januar 2019 wird eine Zeitenwende in der bayerischen Politik markieren: Markus Söder beerbt ab diesem Samstag Horst Seehofer als Parteichef. Mit dem Protestanten Markus Blume als Generalsekretär bildet der Franke eine evangelische Doppelspitze bei den Christsozialen im mehrheitlich katholischen Freistaat. Das gab es noch nie in Bayern, wo immer noch auf einen evangelischen Bewohner zweieinhalb Katholiken kommen.
Söder und Blume als aktive Christen bekannt
Nach zuletzt scharfen Misstönen zwischen CSU und Kirchen, die sich im Wahljahr 2018 noch einmal zuspitzten, stehen die Zeichen nun wieder auf Entspannung. "Ich nehme wahr, dass es im Moment eine ausgeprägte Bereitschaft gibt, das Gespräch zu suchen", sagt etwa Heinrich Bedford-Strohm.
Als evangelischer Landesbischof kennt er Söder und Blume nicht nur als Politiker, denn sie sind auch als evangelische Christen in ihrer Kirche aktiv. Söder war bis zu seiner Wahl als Ministerpräsident Mitglied der Landessynode, Blume ist es noch.
Doch auch zu anderen Mitgliedern der rein katholischen Ministerriege gebe es gute Kontakte, etwa zu Innenminister Joachim Herrmann bei Flüchtlingsfragen, so Bedford-Strohm. Bei bestimmten, dramatischen Fällen, "mit denen wir konfrontiert sind", könne etwas bewegt werden.
Wegen scharfer Aussagen in der Kritik
Vor wenigen Monaten fiel das Fazit von so manchem Kirchenvertreter da noch anders aus. Da war die kontroverse Debatte um Söders Kreuzerlass für bayerische Landesbehörden, in der sich auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx mehrfach kritisch zu Wort meldete. Bekenntnis oder Vereinnahmung? Dabei fiel auch die bisweilen schrille Tonlage auf. So ließ der CSU-Generalsekretär die Öffentlichkeit wissen: "Bei den Kritikern haben wir es mit einer unheiligen Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern zu tun."
Zum anderen nahmen viele engagierte Christen der CSU und speziell auch Söder die scharfen Ansagen in der Flüchtlingspolitik übel, etwa das Wort "Asyltourismus". Und Söder musste erfahren, dass sein Kurs selbst im Vatikan mit kritischen Nachfragen bedacht wurde. Altvordere der Partei wie der ehemalige Kultusminister Hans Maier oder Alois Glück kamen zu dem Befund, dass christliche Kernwähler nachhaltig verärgert wurden.
Am Ende des Wahlabends standen nicht viel mehr als 37 Prozent auf dem schwarzen Balken des Computerdiagramms. Der katholische Würzburger Bischof Franz Jung meinte daraufhin, die Strategie, die AfD rechts überholen zu wollen, sei wohl gescheitert.
Mit europafreundlichem Kurs punkten
Den Beleg dafür lieferte die Forschungsgruppe Wahlen, nach deren Analysen Protestanten bei der Abstimmung überdurchschnittlich oft ihr Kreuz bei den Grünen machten, die Katholiken bei den Freien Wählern. All das dürfte auch Söder nicht verborgen geblieben sein. Seinen schon vor der Wahl eingeleiteten moderateren Kurs setzte er auch nach dem 14. Oktober fort. So widersprach er Friedrich Merz deutlich, als dieser im Kampf um den Vorsitz bei der Schwesterpartei das individuelle Grundrecht auf Asyl in Frage stellte.
Scharfe Attacken reiten Söder und die CSU-Führung indes nun häufiger gegen die AfD. Vor der anstehenden Europawahl grenzen sich die Christsozialen strikt ab von den Rechtspopulisten. Punkten will man ganz im Gegensatz zur Wahl vor fünf Jahren mit einem klar europafreundlichen Kurs. Für diesen steht der CSU-Parteivize und Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), der Katholik Manfred Weber.
Der Niederbayer kann mit seinen stets abgewogenen Worten gerade auch im kirchlichen Milieu punkten. Außerdem ist er als Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) gut vernetzt. Weber wird gebraucht in der CSU, wenn es darum geht, Vertrauen unter christlichen Wählern zurückzugewinnen. Denn die erfolgte Kurskorrektur schlägt sich bisher nicht in Umfragen nieder. In der jüngsten Erhebung für den Bayerischen Rundfunk landete die CSU bei 35 Prozent. Ihr Juniorpartner Freie Wähler legte dagegen zu - wie auch die stärkste Oppositionspartei, die Grünen.
Von Christian Wölfel