Flüchtlingsbeauftragte der Caritas blickt auf ehrenamtliches Engagement in diesem Jahr

"Das ist ein Riesenwerk"

Vor etwas mehr als vier Jahren hat der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki die Aktion "Neue Nachbarn" ins Leben gerufen. Seitdem unterstützen Ehrenamtliche Geflüchtete. Mittlerweile geht es weniger um Willkommenskultur, sondern mehr um Integration.

Arbeitsvermittlung für Flüchtlinge / © Harald Oppitz (KNA)
Arbeitsvermittlung für Flüchtlinge / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat in dieser Woche gezeigt, dass die Integration in Deutschland eine positive Entwicklung nimmt. Im Erzbistum Köln wurde im November 2014 die Aktion "Neue Nachbarn" gegründet. Wo stehen wir heute im Erzbistum bei der Integration?

Irene Porsch (Flüchtlingsbeauftragte der Caritas im Erzbistum Köln): Im Erzbistum Köln stehen wir auch positiv da. Wir können Erfolge verbuchen: Zum Beispiel gibt es derzeit 330 Job-Patinnen und -Paten. Das sind Menschen, die Menschen mit Fluchterfahrung ehrenamtlich bei der Integration im Arbeitsmarkt begleiten. Es sind 79 Menschen mit Fluchterfahrung in kirchlichen Einrichtungen hier im Erzbistum angestellt worden - seit 2015. Das klingt erst mal nicht viel, aber die Menschen haben eine langfristige Arbeitsperspektive bekommen. Und insgesamt geht die Aktion "Neue Nachbarn" weiter. Und das ist ja auch eine wichtige Grundlage, um Integrationsprozesse hier im Erzbistum zu fördern und zu stärken.

DOMRADIO.DE: Die Aktion Neue Nachbarn wurde im November 2014 von Kardinal Woelki ins Leben gerufen, um die Willkommenskultur im Erzbistum zu fördern. Wie genau sieht denn der Fokus in diesem Jahr aus?

Porsch: Der Fokus hat sich schon im letzten Jahr geändert und dieses Jahr benennen wir das auch offiziell so. Wir wechseln jetzt von der Willkommenskultur in die Integrationskultur, um anzuerkennen, dass Menschen mit Fluchterfahrung erst mal hier ankommen mussten, aber jetzt natürlich auch Perspektive und Bleibemöglichkeiten suchen. Dabei sollen auch die Vereine und die Verbände hier im Erzbistum die Menschen unterstützen. Weiterhin wird innerhalb der Aktion Neue Nachbarn das öffentliche Bewusstsein für die Bedürfnisse Geflüchteter gestärkt und die Vernetzung mit kommunalen kirchlichen Initiativen soll weiterhin stattfinden.

Das ist sozusagen nichts Neues, aber es ist jetzt einfach nochmal deutlicher benannt worden. Es gibt ja schon seit Jahrzehnten – und nicht erst sei 2014 mit der Aktion Neue Nachbarn – Kräfte hier im Erzbistum. Es gibt zum Beispiel die Dienste der Caritas, die Fachdienste für Integration und Migration, die auf diesen Feldern arbeiten. Aber jetzt noch einmal wirklich die ganze Kirche und gerade auch die Pfarreien in die Pflicht zu nehmen und zu sagen 'Wir kümmern uns gemeinsam darum, dass Menschen hier wirklich ankommen können und eine Perspektive bekommen, hier eine neue Heimat aufzubauen' - das ist sozusagen neu.

DOMRADIO.DE: Sie unterstützen mit der Aktion Neue Nachbarn ehrenamtliche Helfer, doch manche Menschen haben Zweifel und gemischte Gefühle wenn es um Flüchtlingspolitik geht. Wie versuchen Sie Ehrenamtliche weiter zu ermutigen?

Porsch: Wir ermutigen sie weiterhin mit dem, was wir seit 2014 machen, dass sie bei uns eine Qualifizierung bekommen und direkte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner haben. Das waren bisher sogenannte Koordinatorinnen und Koordinatoren in den Stadt- und Kreisdekanaten. Deren Arbeit wird ab diesem Jahr fortgeführt von sogenannten Integrationsbeauftragten für die Aktion Neue Nachbarn. Wir unterstützen die Ehrenamtlichen mit der Möglichkeit von Coaching und Supervision – in manchen Regionen gibt es auch noch sogenannte spirituelle Coachings.

Und insgesamt unterstützt tatsächlich die Haltung von Kardinal Woelki, dass er mit den "Neuen Nachbarn" das Engagement für Menschen mit Fluchterfahrung unterstützt – damit unterstützen wir auch Engagierte und Ehrenamtliche vor Ort. Dass die Kirche da als Bollwerk gegen so viele negative Positionen steht, was die Aufnahme von Menschen mit Migrationshintergrund betrifft, ist laut Umfragen ganz klar ein Motivationsfaktor für die Ehrenamtlichen. Die Kirche sagt eben: Wir machen es trotzdem. Und gerade das unterstützt die Ehrenamtlichen am meisten.

DOMRADIO.DE: Ein Datum, das sich ehrenamtliche Flüchtlingshelfer im Erzbistum markieren sollten, ist der 4. Mai. Denn da ist ein Austauschtag zur Integration mit Kardinal Woelki geplant. Was genau soll da passieren?

Porsch: Das ist ein Austauschtag, der gerade auch als Bestärkungstag noch einmal für Ehrenamtliche gedacht. Wir haben das 2016 schon mal gehabt, da nannte sich das Einkehrtag. Engagierten und Ehrenamtlichen im Erzbistum soll an einem Tag gerade zusammen mit Kardinal Woelki die Möglichkeit gegeben werden, sich zu den Herausforderungen ihres Engagements auszutauschen, aber auch einfach eine Wertschätzung zu erfahren. Und das durch Kardinal Woelki selber, der diese Aktion ins Leben gerufen hat. So soll am 4. Mai wirklich gemeinsam diskutiert werden - in verschiedenen Facetten: kulturell, christlich, theologisch und politisch.

Also auch das spezifisch Christliche von Flüchtlingshilfe herauszustellen, beziehungsweise dem Engagement der Aktion Neue Nachbarn. Und gleichzeitig soll den 12 000 Engagierten, die wir hier im Erzbistum haben, Wertschätzung entegegengebracht werden. Das ist schon ein Riesenwerk, was man macht. Wenn man sich die gesamte politische Situation anguckt, wenn man sich anguckt, dass Menschen auch im privaten Umfeld hinterfragt werden, für das was sie da tun. Dann ist das etwas, was man eigentlich Tag und Nacht wertschätzen müsste.

DOMRADIO.DE: Das Jahr 2019 hat jetzt gerade erst begonnen, die Aktion Neue Nachbarn hat sich aber schon viel vorgenommen. Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr?

Porsch: Ich wünsche mir eine andere politische Situation, dass populistische Parteien wie die AfD sich jetzt schön zerfleischen und selber eingehen. Damit wir wieder besser die Möglichkeit haben, Menschen, die alles verloren haben, zu unterstützen, und damit unsere Engagierten und Ehrenamtlichen nicht mehr soviel hinterfragt werden. Ansonsten wünsche ich mir einfach weiterhin so viele motivierte, kreative Köpfe. Wir haben immer mehr Menschen, die selbst Fluchterfahrung haben und sich einsetzen. Das ist eine Buntheit und Vielheit, die ich mir weiterhin genauso wünsche für 2019, wie wir sie in den letzten Jahren hatten.

Das Interview führte Julia Reck.


Quelle:
DR
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