Vatikanischer Ökumene-Experte Matthias Türk zieht Bilanz

Papsttum ist eine Hilfe für den ökumenischen Fortschritt

Genau 20 Jahre lang war der Würzburger Theologe Matthias Türk Ökumene-Referent im Päpstlichen Einheitsrat, zuständig vor allem für den Dialog mit der evangelisch-lutherischen Kirche. Ende Januar kehrt Türk in sein Heimatbistum Würzburg zurück.

Autor/in:
Roland Juchem
Theologe Türk: Papsttum ist wichtig für Ökumene  / © Ettore Ferrari (dpa)
Theologe Türk: Papsttum ist wichtig für Ökumene / © Ettore Ferrari ( dpa )

KNA (Katholische Nachrichten-Agentur): Bald nachdem Sie hier in Rom angefangen hatten, wurde am 31. Oktober 1999 in Augsburg die Gemeinsame Erklärung der katholischen und evangelisch-lutherischen Kirche zur Rechtfertigung unterzeichnet. War das so etwas wie ein ökumenischer Frühling?

Matthias Türk (Theologe und ehemaliger Ökumene-Referent im Päpstlichen Einheitsrat): Für die Beteiligten war die feierliche Unterzeichnung in der Tat ein Aufbruch, weil uns allen bewusst war, dass ein Meilenstein gesetzt werden konnte; auch wenn es im Vorfeld und danach noch Hürden zu überwinden gab. In der Zwischenzeit ist die Erklärung zu einer ökumenischen Erfolgsgeschichte geworden und umfasst heute den Konsens von lutherischen, katholischen, methodistischen, reformierten und anglikanischen Christen weltweit.

KNA: Im August 2000 wurde das Dokument "Dominus Iesus" der Glaubenskongregation veröffentlicht. Deren Formulierung, die evangelischen Kirchen seien "keine Kirchen im eigentlichen Sinne", löste empörte Proteste aus. Ein Tiefschlag?

Türk: Durch die Kritikpunkte zu "Dominus Iesus" wurde das große ökumenische Anliegen Johannes Pauls II. überschattet, das Heilige Jahr 2000 in Gemeinschaft zu begehen und somit die Schwelle des neuen Jahrtausends als Christen gemeinsam zu überschreiten. Dies veranlasste den Papst, eine nähere Erläuterung der Aussagen von "Dominus Iesus" mit seiner spezifischen Auslegung der Inhalte des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Frage des Kircheseins einzufordern.

Langfristig hat "Dominus Iesus" dazu beigetragen, die Diskussion um das gegenseitige Verständnis von Kirche zu vertiefen.

KNA: Nach der Einigung in der Rechtfertigungslehre dreht sich das lutherisch-katholische Gespräch jetzt um Kirche, Eucharistie und Amt. Wie nah ist man sich da?

Türk: Im soeben erschienenen Dialogpapier mit dem Titel "Wachsende Gemeinschaft" aus Finnland wird die Kirche aus lutherischer und katholischer Sicht gemeinsam als "gleichsam Sakrament des Heils" bezeichnet. Ebenso wird auch ein klares gemeinsames Verständnis der Eucharistie als Form realer, nicht nur symbolischer Präsenz Christi aufgezeigt sowie das kirchliche Amt als sakramentale Ordination beschrieben. Ein solcher Konsens stellt einen weiteren bedeutenden Schritt zur Überwindung der bestehenden Kirchentrennung dar.

KNA: Theologen in Finnland haben dieses Papier verfasst. Wer tut sich denn am schwersten mit diesem ökumenischen Ansatz?

Türk: Intensiven Gesprächsbedarf wird es sicher dazu im Land der Reformation, in Deutschland selbst, geben. Dort gibt es einen sogenannten Neoprotestantismus, dessen theologische Auffassungen sich weiter- und vielleicht auch fortentwickelt haben vom genuinen Reformansatz Martin Luthers, was zu einer neuen Form von evangelischem Kirche-Sein geführt hat. Die muss weiter geklärt werden.

KNA: Von Papst Franziskus gibt es die oft zitierte Antwort an ein evangelisch-katholisches Ehepaar, das ihn nach der gemeinsamen Kommunion fragte: "Sprecht mit dem Herrn und geht voran". War das pastoral klug, zu salopp ...?

Türk: Diese Aussage des Heiligen Vaters entspricht ganz unserer ökumenischen Grundüberzeugung und dem Ökumenischen Direktorium, das auf dem Kirchenrecht fußt. Demzufolge ist es unerlässlich zur Vorbereitung auf die Kommunion, "mit dem Herrn in Kontakt zu treten".

Dazu gehören etwa die Beichte und die Vergewisserung der eigenen Glaubensüberzeugung. Das Kirchenrecht kennzeichnet zusätzlich die Ausnahmesituation einer physischen oder geistlichen Notlage, ohne eine genauere Fallbeschreibung vorzunehmen. Das ermöglicht eine Bandbreite bei den Voraussetzungen des Einzelnen für die Kommunion. Von daher ist der Satz des Papstes ein wichtiger Impuls für konfessionsverbindende Ehepaare.

KNA: Wie bewerten Sie im Nachhinein die Debatte um die Kommunion-Handreichung der deutschen Bischöfe, die für Wirbel gesorgt hat?

Türk: Diese ist im Gespräch mit dem Papst, der Glaubenskongregation und anderen Dikasterien wie auch dem Einheitsrat einer weiteren Klärung zugeführt worden - die aber noch nicht abgeschlossen ist. Die Idee, die dem Text zugrunde liegt, ist die einer Hilfe für die ökumenische Pastoral, das eigene Glaubensleben gestalten zu können. Hierin liegen der Wert, aber auch die Grenzen der Handreichung.

KNA: Das Papsttum gilt als eines der Haupthindernisse für die Ökumene. Wie wahrscheinlich ist es, dass andere Kirchen den Bischof von Rom als eine Art "Sprecher der Christenheit" verstehen können?

Türk: Papst Paul VI. sagte: "Wahrscheinlich stellt mein Amt das größte Hindernis für die Ökumene dar." Benedikt XVI. schloss daran in anderer Weise an, indem er sinngemäß sagte: Vielleicht kann der Papst sogar die größte Hilfe für die ökumenische Einigung sein. Meine Erfahrung ist, dass sich durch das Papsttum ein Kristallisationspunkt herausgebildet hat, der für alle ökumenischen Partner zentral ist. Von daher ist das Papsttum eine entscheidende Hilfe für den ökumenischen Fortschritt.

KNA: Eine persönliche Frage: Welche für Sie wichtige Glaubenseinsicht verdanken Sie evangelischen Christen?

Türk: Was mich am meisten berührt hat, ist die persönliche Frömmigkeit und das Glaubenszeugnis der anderen Christen, die ich im Laufe meiner Arbeit kennenlernen durfte. Wie sie aus ihrem Glauben heraus ihr Leben gestalten, ist oft beeindruckend; ein Glaubenszeugnis ökumenischer Freunde.

Die beiden letzten Präsidenten des Lutherischen Weltbundes haben zu mir scherzhaft gesagt, ich sei das längstgediente Mitglied im Rat des Lutherischen Weltbundes, weil ich seit 1999 ununterbrochen an dessen jährlichen Ratsvollversammlungen teilgenommen habe.

KNA: Was macht solch ein erfahrener Lutheraner nach 20 Jahren römischer Kurie, wenn er in sein Heimatbistum Würzburg zurückkehrt?

Türk: Universal- und Ortskirche verbinden und deren Sichtweise jeweils gegenseitig einbringen - als persönlicher Referent des Bischofs von Würzburg.


Quelle:
KNA
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