Debatte um "christliches Abendland" und Christen in der AfD

"Marx ist zu weit gegangen"

Treibt Kardinal Marx Christen zur AfD, wenn er sagt, der Begriff "christliches Abendland" grenze aus? Die Publizistin Liane Bednarz findet, dass man zumindest um den Begriff ringen müsse.

Mann mit einer AfD-Kappe / © Sebastian Willnow (dpa)
Mann mit einer AfD-Kappe / © Sebastian Willnow ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sagen der Übergang vom christlich-konservativen Gedankengut, zum AfD-Spektrum sei fließend. Sie bezeichnen sich selbst als christlich-konservativ. Wenn Sie sich das Reden und Handeln angucken, was können Sie mittragen, und wo hört das Verständnis auf?

Liane Bednarz (Publizistin, "Die Angstprediger"): Das Problem der AfD besteht darin, dass die Grundrichtung der Partei einfach nicht mit konservativem Denken kompatibel ist. Das sieht man zum Beispiel daran, wie ganz gezielt politische Gegner verächtlich gemacht werden – beispielsweise als "Altparteien". Und da fängt das schon an. Dann ist da natürlich auch die Abwertung des Islam als solchen, der dann teilweise von AfD´lern als "Ideologie" bezeichnet wird und nicht als Religion. Das sind alles Dinge, die man als Konservativer nicht mehr mittragen kann.

DOMRADIO.DE: Kardinal Marx hat vor kurzem den Begriff "christliches Abendland" verurteilt, weil er vor allem zur Ausgrenzung diene. Ist es da nicht auch verständlich, wenn das Christen zur AfD treibt?

Bednarz: Ich meine auch, dass Kardinal Marx zu weit gegangen ist. Grundsätzlich finde ich es sehr gut, dass er sich immer wieder gegen den Rechtspopulismus ausspricht. Aber jetzt so zu tun, als sei dieser Begriff per se ausgrenzend, das geht meiner Ansicht nach zu weit. Da halte ich es eher mit Bischof Voderholzer, der gesagt hat, dass man diesen Begriff gerade nicht den Rechten überlassen darf, die ihn ja nationalistisch aufladen.

Und ich meine auch, dann muss man ihn als Christ anders definieren oder eigentlich so definieren, wie wir die tradierte Auffassung des Begriffes verstehen; nämlich das kulturell nun einmal tatsächlich christlich geprägte Abendland, das aber natürlich auch politisch für Pluralismus steht und aber auch im Verhältnis zu anderen Religionen. Also der Begriff, der im Sinne der "Nostra Aetate"-Erklärung der katholischen Kirche auch den Dialog mit anderen Religionen sucht.

Aber Kardinal Marx begeht meines Erachtens den Fehler, dass er so ähnlich wie auch bei anderen Begriffen wie "Heimat" oder "Tradition" und "Patriotismus" dann doch zu leicht den Rechten überlässt. Und das darf man nicht machen, sondern man sollte um diesen Begriff auch ringen.

DOMRADIO.DE: Wie sollen die Kirchen damit umgehen: Verurteilen und ignorieren scheint ja nichts zu bringen. Sollte man nicht doch lieber das Gespräch suchen?

Bednarz: Die reine Ausgrenzung bringt tatsächlich nichts. Und man muss sehen: Dieses rechte Gedankengut ist da. Es gibt Christen, sehr konservative Christen, die dafür oftmals leider anfällig sind. Und es besteht die Aufgabe, aktiv die Auseinandersetzung zu suchen und gerade auch über diese ganzen Reizthemen mit Menschen zu reden, die sich der AfD zugewendet haben. Man muss also Themen, wie beispielsweise dieses Phantasma der sogenannten Islamisierung aufdröseln und Sachlichkeit in die Debatte bringen. Das muss man machen anstatt einfach zuzuschauen.

DOMRADIO.DE: Ich stelle meine These auf: Wenn ich als konservativer Christ die AfD wähle, mache ich das vielleicht nicht aus meiner christlichen Überzeugung heraus, sondern weil das Christsein für mich so eine Art Identität, eine Art Stammeszugehörigkeit ist. Der Knackpunkt liegt dann in der Frage, ob sich ein Christ über seinen Glauben definiert, oder über diese Stammeszugehörigkeit, ergo das "christliche Abendland. Es geht darum zu verstehen, warum etwa zehn Prozent der Christen in Deutschland die AfD wählen. Ist "Stammeszugehörigkeit" die einzige Erklärung? 

Bednarz: Ja, das hat sich leider tatsächlich etwas in diese Richtung entwickelt. Es gibt bestimmte christliche Kreise, die dazu übergegangen sind, im Grunde das Christentum vor allem als Abwehr-Bollwerk gegenüber dem Islam zu verstehen und es so politisch aufzuladen. Sie definieren dann auch ihre eigene Zugehörigkeit zum Christentum entsprechend und haben dabei kaum noch im Blick, dass das Christentum natürlich universalistisch ist, dass es für Nächstenliebe steht und sich eben gerade nicht auf einen nationalen Kontext oder einen national-religiös verändernden Kontext herunterbrechen lässt.

DOMRADIO.DE: Wie gehe denn ich als einzelner Mensch in so eine Diskussion rein und wie gehe ich am besten um mit rechtem christlichen Gedankengut?

Bednarz: Man sollte theologisch gewappnet sein. Man sollte beispielsweise wissen, dass Nächstenliebe nicht rein örtlich interpretiert wird, so wie Rechte das machen. Einige sagen dann zum Beispiel, dass syrische Flüchtlinge schon gar keine Nächsten mehr seien. Das seien "Fernste."

Und dann gilt natürlich – und das ist nicht immer ganz einfach – versuchen unemotional zu bleiben und immer zu unterscheiden zwischen Haltung und Person; sprich höflich und nett zu bleiben und zu versuchen, aufzuklären, aber gleichzeitig sich doch in der Sache von diesen Ansichten abzugrenzen und sie zu entkräften.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Kirchenpolitisches Manifest der AfD / © Moritz Dege (DR)
Kirchenpolitisches Manifest der AfD / © Moritz Dege ( DR )

Pegida-Demonstration für ein christliches Abendland / © Daniel Naupold (dpa)
Pegida-Demonstration für ein christliches Abendland / © Daniel Naupold ( dpa )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema