Der Limburger Altbischof Franz Kamphaus (87) gehört zweifellos zu jenen katholischen Persönlichkeiten, die auch heute noch etwas zu sagen hätten - und gehört würden. Doch Kamphaus äußert sich seit Jahren nicht mehr zu tagesaktuellen Fragen. In seiner 25-jährigen Amtszeit erregten seine bescheidene, Flüchtlingen und behinderten Menschen zugewandte Art sowie sein unbeugsames Eintreten für Frauen in Schwangerschaftskonflikten bundesweit Aufsehen.
Es ist ruhig um ihn geworden
Doch seit Kamphaus sich nach seiner Emeritierung 2007 in das Sankt Vincenzstift in Rüdesheim-Aulhausen zurückgezogen hat, ist es ruhig um ihn geworden. In der kirchlichen Einrichtung lebt er als Seelsorger mit geistig und mehrfach schwerbehinderten Menschen zusammen. "Ich bin einer von ihnen", beschrieb Kamphaus sein Lebensgefühl. Mit zunehmenden eigenen Beeinträchtigungen nähere er sich den Bewohnern immer weiter an, so Kamphaus. Seit Jahrzehnten plagt ihn ein Tremor, der seine Hände und seine Stimme zittern lässt.
Doch auch Anfang 2019 ist Kamphaus guter Dinge und geistig hellwach, wie aus dem Vincenzstift zu hören ist. Es gehe ihm gut, er mache weiterhin Nordic Walking, sein Alltag sei "voll mit Terminen vor Ort", heißt es. Auch wenn er keine Diözese mehr leitet: Als Seelsorger sieht sich Kamphaus nach wie vor. Vor 60 Jahren, am 21. Februar 1959, wurde er zum Priester geweiht.
Schon mit 13 Jahren soll der Münsterländer Bauernsohn 1945 seine Umgebung mit dem Satz "Ich werde Pastor" überrascht haben. "Ich weiß nicht, wo das herkam", beschrieb Kamphaus laut Bistum rückblickend diesen "ganz verrückten" Moment. Man könne es Eingebung oder Fügung nennen, "aber es war in mir und ist in mir geblieben. Ich wusste: Das bin ich. Das will ich werden."
Ihn schmerzt der Zustand der Kirche
Heute schmerze ihn der Zustand der Kirche: "Sie liegt am Boden und nicht wenige sind dabei, sie auszuzählen." Nach dem Missbrauchsskandal sei es notwendig, aufzuklären und Transparenz herzustellen. Er lobt den amtierenden Limburger Bischof Georg Bätzing für seinen "besonnenen und weitblickenden Umgang" mit dem Thema.
Darüber hinaus sei es "ein Segen, dass wir gerade jetzt Papst Franziskus haben". Mehr als 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) ist Kamphaus laut Angaben des Bistums überzeugt, dass die Kirche einen neuen Aufbruch wagen müsse: "Es fehlt das III. Vatikanum."
Dass Kamphaus nun bei behinderten Menschen lebt, ist kein Zufall. Er setzt damit nur eigene Äußerungen zum Zusammenleben von Menschen mit und ohne Handicap konsequent um. "Wie verblendet muss man eigentlich sein, um wirklich zu glauben, dass man nur das ist, was man leistet oder sich leisten kann?", schreibt Kamphaus in seinem 2018 erschienenen Buch "Wenn der Glaube konkret wird. Die Bergpredigt".
Gemütlich ist er nie gewesen
Sein Talent, prägnant zu formulieren - bekannt wurde etwa sein Ausspruch "Mach's wie Gott, werde Mensch!" - zeigt Kamphaus auch noch im hohen Alter. In einer Passage des Buches zur Bergpredigt weist er darauf hin, dass Jesus Anstoß erregt habe. "Er war alles andere als süß, kein Kompromissler. Er hat die Leidenschaft nicht durch Gemütlichkeit ersetzt. Man stelle sich vor: Jesus mit einem Schoßhündchen im Fernsehsessel - undenkbar!"
Gemütlich ist auch Kamphaus nie gewesen: Unter Berufung auf sein Gewissen weigerte er sich als einziger deutscher Diözesanbischof, der 1999 ergangenen Weisung des damaligen Papstes Johannes Paul II. zu folgen, in den Schwangeren-Beratungsstellen ihrer Bistümer nicht mehr den vom Gesetzgeber verlangten Beratungsschein ausstellen zu lassen.
Im März 2002 verfügte Johannes Paul II. dann den Ausstieg des Bistums Limburg aus der gesetzlichen Konfliktberatung. Zugleich bat er den Bischof, im Amt zu bleiben - was Kamphaus tat, bis zu seinem 75. Geburtstag am 2. Februar 2007.
Der Altbischof ermutigt in dem Buch zur Bergpredigt dazu, sich nicht zu sehr vom Urteil anderer Menschen abhängig zu machen. Wert und Anerkennung seien "von Gott geschenkt". In Zeiten, in denen sich viele Menschen in Sozialen Netzwerken an Likes und Followern orientieren, wirken Kamphaus' Worte wohltuend. Er bilanziert: "Die Wahrheit unseres Lebens, das, was wir wirklich sind als Gottes Ebenbild, ist viel schöner und erfreulicher, als wir in unserem Wahn daraus machen."