Kirche der Stille ist eine Alternative zu Traditionskirchen

"Der Worte sind oft zu viele"

Eine Oase der Ruhe in der Großstadt: Die "Kirche der Stille" in Hamburg mit Stoffmatten statt Kirchenbänken und Kanzel feiert zehnjähriges Bestehen. Sie ist ein Anlaufpunkt für viele, "die nicht oder nicht mehr in eine traditionelle Kirche gehen".

Einfach mal zur Ruhe kommen / © Julia Steinbrecht (KNA)
Einfach mal zur Ruhe kommen / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: In welchem Zustand war die Christophoruskirche in Altona als Sie damals auf die Idee kamen, der Kirche ein neues Konzept zu geben?

Irmgard Nauck (Gemeindepastorin in der evangelisch-lutherischen Gemeinde Altona-Ost): Sie wurde ganz normal als Kirche genutzt, war allerdings wie so viele Kirchen nicht so groß besucht. Wir fusionierten zu drei Gemeinden, die Christophoruskirche gehörte zu uns. Und dann haben wir dieses Konzept entwickelt, dort eine Kirche der Stille zu bauen. Diese Kirche ist aber nur umgenutzt worden. Sie bleibt eine evangelisch lutherische Kirche.

DOMRADIO.DE: Sie haben dort eine Meditationskirche gestartet. Meditation ist ja zunächst mal etwas, was man vielleicht eher mit dem Buddhismus als dem Christentum verbinden würde, oder?

Nauck: Das ist nicht ganz richtig. Vordergründig sind die Menschen in den letzten Jahrzehnten zum Meditieren in buddhistische Zentren gegangen, weil christliche Meditation eher im Verborgenen bestand. In den Klöstern wurde das Herzensgebet oder die Kontemplation gelehrt. Es gibt im Christentum wie auch in anderen religiösen Traditionen seit Jahrhunderten Menschen, die Stille praktiziert haben.

DOMRADIO.DE: Jeden Donnerstag bieten Sie in der Kirche der Stille eine Meditation mit dem Herzensgebet an. Was ist das für ein Gebet?

Nauck: Das ist eine Meditation mit stillem Sitzen und achtsamem Gehen. Diese Meditation geht aus dem christlichen Satz hervor "Betet ohne Unterlass", den die christlichen Väter im vierten Jahrhundert gelehrt haben. Um wirklich ohne Unterlass in Verbindung mit Gott zu sein, hat man ein Mantra - ein Herzenswort - das man "unablässig" innerlich murmelt, um Gedanken und Konzentration auf dieses Herzenswort und damit auf Gott zu richten.

DOMRADIO.DE: Wer nimmt denn das Angebot in der Kirche der Stille an?

Nauck: Das sind genau die Menschen, die nicht oder nicht mehr in eine traditionelle katholische und evangelische Kirche gehen, weil sie sich dort mit ihrer Sehnsucht nach einer alltagstauglichen Spiritualität nicht aufgehoben fühlen. Es sind Menschen, die vielleicht auch lange im Buddhismus meditiert haben und jetzt neugierig sind, was so das Christentum anbietet. Es sind Menschen, die auf der Suche nach einer Beziehung zu Gott sind, aber nicht in einer Kirche.

DOMRADIO.DE: Sie haben seit zehn Jahren Erfolg mit dieser Kirche der Stille - eine Kirche, die es so in Deutschland kein zweites Mal gibt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, von denen auch traditionelle Kirchen profitieren könnten?

Nauck: Ich muss Sie korrigieren: Es gibt eine Kirche der Stille in Hannover, die nicht ausschließlich für Stille genutzt wird wie unsere, sondern die sich das mit der Gemeinde teilt. Also, es gibt ein zweites Projekt.

Profitieren können unsere Gemeinden, wenn sie mehr Stille in den Gottesdienst einziehen lassen. Das ist etwas, was ich immer wieder höre. Menschen brauchen auch im Gottesdienst Stille und Raum, wo sie ihr eigenes Gebetsanliegen vortragen können statt dieser ausformulierten Fürbittgebete. Der Worte sind oft zu viele. Menschen wollen nicht mehr erklärt bekommen, wer Gott ist. Ich glaube, dass da ein großer Informationsbedarf herrscht.

Trotzdem bin ich ganz fest davon überzeugt, dass es unsere traditionellen Messen und Gottesdienste weiter geben muss. Es ist überhaupt gar kein Konkurrenzprojekt, sondern ein Hinzufügen. Auch wenn Menschen die Stille wollen, können sie in die Kirche der Stille kommen.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR