Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen beklagen Personalnot und einen Überhang an offenen Stellen. Daher werden mehr und mehr Pflegekräfte aus dem Ausland eingesetzt. Doch der Einsatz der ausländischen Fachkräfte birgt mitunter heftige Konflikte, wie eine am Freitag in Düsseldorf veröffentlichte Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Zwei Kulturen treffen aufeinander.
Jährlich 8.800 ausländische Fachkräfte
Laut Studie beschäftigt die Pflegebranche zunehmend mehr Personal, das seinen Berufsabschluss im Ausland erworben hat. Die Zahl der Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege, die jährlich aus dem Ausland kommen, ist fast auf das Sechsfache gestiegen: von 1.500 im Jahr 2012 auf gut 8.800 im Jahr 2017.
Zwar ist die Bundesrepublik laut der Untersuchung im internationalen Vergleich "noch weit davon entfernt, als etabliertes Zielland der globalisierten Pflegefachkräftemigration zu gelten": 2010 hatten knapp 6 Prozent der Pflegekräfte ihre Ausbildung im Ausland absolviert. In Großbritannien oder der Schweiz lag der Anteil zwei- bis dreimal so hoch. Die Vielfalt habe aber zuletzt noch einmal deutlich zugenommen, schreiben die Studienautoren von der Frankfurter Goethe-Universität.
Die meisten Pflegekräfte komen gut zurecht
Dabei kommen die meisten neuen Pflegekräfte aus der europäischen Nachbarschaft: Rumänien, Kroatien, Polen und Ungarn stellten 2017 die wichtigsten EU-Herkunftsländer; hinzu kamen Bosnien-Herzegowina, Serbien und Albanien als benachbarte Drittstaaten.
Die ebenfalls hohe Anzahl von Fachkräften aus den Philippinen resultiert aus einem Anwerbeabkommen zwischen beiden Ländern.
Die meisten der zugewanderten Pflegekräfte kämen im Arbeitsalltag zurecht, heißt es in der Studie. "Trotzdem ist die nachhaltige betriebliche Integration eine große Herausforderung, der sich die Arbeitgeber stellen müssen." In rund 60 Gesprächen mit Pflegenden und Experten stellten die Forscher fest, dass sich in den Einrichtungen nicht selten zwei zerstrittene Lager bilden - mit etablierten Pflegern auf der einen und Neuankömmlingen auf der anderen Seite.
Unterschiedliche Berufsbilder
Ein wichtiger Grund für Differenzen: das unterschiedliche Berufsverständnis. In vielen Herkunftsländern werden Pflegekräfte an Hochschulen ausgebildet. Gleichzeitig übernehmen Pflegende etwa in Südeuropa mehr Management- sowie Behandlungsaufgaben, die in Deutschland Ärzten vorbehalten sind.
Patienten beim Essen oder der Körperpflege zu unterstützen, ist dort für die Pflegenden ungewöhnlich. Das übernehmen dort teils spezielle Service-Kräfte, teilweise müssen Angehörige einspringen.
Viele der zugewanderten Pflegekräfte haben deshalb laut Studie das Gefühl, "unter Wert" arbeiten zu müssen. Sie fühlen sich von Informationen ausgeschlossen und von Vorgesetzten schlechter behandelt. Deutsch als Arbeitssprache werde als "Hierarchisierungsmittel" eingesetzt.
"Praxisferne" Ausbildung und Sprachprobleme
Umgekehrt kritisieren die etablierten Fachkräfte, dass neu zugewanderte Kollegen schon wegen mangelnder Sprachkenntnisse im stressigen Arbeitsalltag nicht voll einsetzbar seien. Die akademische Ausbildung im Ausland wird oft als "praxisfern" kritisiert. Dafür fehlten dann aber grundlegende Kompetenzen, etwa bei der Körperpflege von Patienten.
Aus der Sicht der einheimischen Beschäftigten können die zugewanderten Fachkräfte daher zumindest für einen längeren Einarbeitungszeitraum allenfalls als "Schüler" beschäftigt werden.
Die neu zugewanderten Fachkräfte reagieren laut Studie auf die Konflikte mit fortwährender Unzufriedenheit und, wenn die Spannungen nicht gelöst werden, mit einem "Exit", schreiben die Studienautoren.
"Beschäftigte nicht alleine lassen"
Die Forscher halten es deshalb für unerlässlich, dass Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen ihre Beschäftigten mit den Konflikten nicht allein lassen. Es müsse genügend Zeit für fachlichen Austausch und Konfliktlösung eingeräumt werden. Coaches von außen oder auch Betriebsräte müssten dabei helfen, Kommunikationsbarrieren zu überwinden.
Eine wichtige Vermittlerrolle sehen die Wissenschaftler bei jenen Pflegekräften, die schon lange in Deutschland arbeiten, aber selbst einen Migrationshintergrund haben. Im besten Fall könnten die Erfahrungen der zugewanderten Pflegefachkräfte zu einer Reform der Pflege in Deutschland beitragen.