Polens Kirche legt Zahlen zu Missbrauch vor

"Scham und Schuld"

Die katholische Kirche in Polen hat erstmals genaue Angaben zum Ausmaß des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche gemacht. Am Donnerstag beendeten die Bischöfe ihre Frühjahrsvollversammlung in Warschau.

Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz ( KNA )

Mutmaßlich 382 Priester und Ordensmänner missbrauchten laut kirchlichen Akten, die von Januar 1990 bis Juni 2018 angelegt wurden, Minderjährige. Das teilte die Polnische Bischofskonferenz in Warschau zum Abschluss ihrer Frühjahrsvollversammlung mit. Die Akten umfassen demnach Anzeigen zu Fällen, die bis ins Jahr 1950 zurückreichen. Von den 625 Opfern seien 345 unter 15 Jahre alt gewesen.

Polens Primas Erzbischof Wojciech Polak sagte mit Blick auf alle Betroffenen: "Jedes dieser Opfer sollte in uns Geistlichen Schmerz, Scham und Schuldgefühle wecken, dass es zu dieser Situation gekommen ist." Es sei "ein Schock, der die ganze Gemeinschaft der Kirche verletzt".

Zehn Prozent der Geistlichen freigesprochen

58,4 Prozent aller Opfer sind den Angaben zufolge männlich, 41,6 Prozent weiblich. Drei Viertel der 362 bekannten kirchlichen Prozesse gegen die Geistlichen seien bereits abgeschlossen. Dabei sei jeder vierte Priester aus dem Klerikerstand entlassen worden. Weitere 40 Prozent wurden nach Angaben der Bischofskonferenz suspendiert, ermahnt, oder ihnen wurde verboten, mit Minderjährigen zu arbeiten.

Zehn Prozent der Geistlichen seien freigesprochen worden. In 42 Prozent der Fälle hätten die Minderjährigen den Missbrauch der Kirche selbst mitgeteilt, in 21 Prozent deren Angehörige. Bei sechs Prozent erfuhr die Kirche von Staatsorganen davon und in fünf Prozent der Fälle aus den Medien.

Film "Klerus"

Die Polnische Bischofskonferenz hatte die Missbrauchsfälle in den vergangenen Monaten bei den Diözesen und Ordensgemeinschaften abgefragt. Das kirchliche Statistikinstitut und das von der Bischofskonferenz gegründete Kinderschutzzentrum werteten die Daten für die Studie aus.

In Polen hatte im Herbst 2018 der Kinofilm "Klerus" den Druck auf die Kirche erhöht. Er prangerte den sexuellen Kindesmissbrauch durch Priester sowie dessen Vertuschung an. Mehr als fünf Millionen Zuschauer machten ihn zum meistgesehenen Kinofilm in Polen seit 2000.

Die Kirche entschuldigte sich mehrfach bei öffentlichen Anlässen bei den Missbrauchsopfern. Bei einem Bußgottesdienst 2014 sagte Bischof Piotr Libera im Namen der Bischofskonferenz: "Beschämt und reumütig bitten wir um Vergebung."


Quelle:
KNA