Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen es künftig leichter haben, ein gutes Pflegeheim zu finden. Die Experten vom Qualitätsausschuss von Krankenkassen und Heimbetreibern einigten sich am Dienstagabend auf neue Regeln für vollstationäre Einrichtungen, die aussagekräftiger sein sollen als die bisherigen Pflegenoten.
Gibt es keine Beanstandungen aus dem Bundesgesundheitsministerium, sollen die Pflegeheime am 1. November mit den Prüfungen nach dem neuen Qualitätssystem beginnen, kündigte Gernot Kiefer vom Vorstand des GKV-Spitzenverbands am Mittwoch in Essen an. "Bereits im Frühjahr 2020 werden erste Ergebnisse veröffentlicht, und bis Ende 2020 soll jedes Heim nach den neuen Regeln geprüft worden sein."
Pflege-TÜV sollte auch Qualitätswettbewerb befeuern
Zuvor hatten Wissenschaftler unter Federführung des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld ein Konzept zu einer verbrauchernäheren Bewertung der mehr als 13.000 Pflegeheime erarbeitet. Im Mittelpunkt sollen künftig der tatsächliche Gesundheitszustand der Heimbewohner sowie die Ausstattung und Angebote der Einrichtungen stehen.
Seit 2009 gibt es Pflegenoten. Das Ziel: Angehörige sollten so schnell und unkompliziert wie möglich ein gutes Heim finden können.
Alle Einrichtungen werden deshalb jährlich vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen überprüft und anhand von rund 70 Kriterien mit Schulnoten bewertet. Der gewünschte Nebeneffekt: Der Pflege-TÜV sollte auch den Qualitätswettbewerb zwischen den Einrichtungen befeuern.
Doch schnell wurde klar, dass der mit guter Absicht eingeführte Pflege-TÜV genau das nicht leistet. Alle Heime erhielten im Bundesdurchschnitt die Note 1,2 - für Kritiker ein Hohn angesichts der Zustände in manchen Einrichtungen. Kritik entzündete sich insbesondere daran, dass vor allem bürokratische Abläufe überprüft werden und dass keine K.O.-Kriterien aufgestellt wurden. "Singen eins, Mathe sechs - in der Schule bleiben Sie damit hängen, in der Pflege erhalten Sie die Durchschnittsnote drei", kritisiert etwa die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Ein guter Speiseplan könne schlechte Pflege ausgleichen.
Künftig ein Baukastensystem
Nach dem neuen Konzept soll es künftig ein Baukastensystem geben, das weit mehr Informationen bereitstellt als zuvor. Gemessen werden soll zum Beispiel, wie gut es einem Heim gelingt, die Mobilität und Selbstständigkeit im Alltag der Bewohner zu erhalten oder schwere Stürze zu vermeiden. Deutlich soll etwa auch werden, ob in einem Heim zum Beispiel seit langer Zeit kein Bewohner mehr wund gelegen ist.
Das neue, im Internet einsehbare Bewertungssystem soll den Verbrauchern aber auch konkrete Informationen über die Lebensqualität in der jeweiligen Einrichtung liefern. Dazu gehörten unter anderem die Erreichbarkeit der Pflegeeinrichtung, die Möglichkeit des Probewohnens oder die Personalausstattung.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, bezeichnete die Einigung in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) als Durchbruch. Künftig werde nicht mehr bewertet, ob und wie etwa ein Konzept zur Dekubitusvermeidung aufgeschrieben werde. "Jetzt zählt allein das Ergebnis, ob ein Pflegebedürftiger sich wundgelegen hat oder nicht. Das war überfällig", so Westerfellhaus. Der Sozialverband VdK sprach von einer deutlichen Weiterentwicklung im Vergleich zu dem bisherigen Modell.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz äußerte demgegenüber im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) Bedenken. Es sei fraglich, ob das jetzt verabschiedete Modell den Verbrauchern eine rasche Bewertung ermögliche, sagte Vorstand Eugen Brysch. Denn es werde weiterhin keine K.O.-Kriterien und auch keine aussagefähige Gesamtnote geben. "Wer bei der Schmerztherapie, der Wundversorgung, dem Umgang mit Fixierung oder der Medikamentengabe durchfällt, darf nur die Note 6 bekommen."