Misereor zu Erwartungen an die Amazonas-Synode

"Wenn Amazonien krankt, werden wir alle krank werden"

Es braucht einen schonenderen Umgang mit Ressourcen, mehr Rechte für die indigene Bevölkerung und ein neues Modell von Kirche. Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel erwartet von der Amazonas-Synode Antworten auf drängende Fragen. 

Kinder sitzen auf gefällten Bäumen in der Amazonas-Region von Peru / © Rodrigo Abd (dpa)
Kinder sitzen auf gefällten Bäumen in der Amazonas-Region von Peru / © Rodrigo Abd ( dpa )

DOMRADIO.DE: Monsignore Spiegel, Sie haben in dieser Woche an einem Vortreffen zur Amazonas-Synode teilgenommen. Die Synode wird schon im Vorfeld als "Weltereignis" bezeichnet. Ist es nicht noch ein bisschen zu früh für Superlative?

Pirmin Spiegel (Hauptgeschäftsführer des katholischen Werks für Entwicklungszusammenarbeit, Misereor): In der Tat scheint es auf den ersten Blick ein Weltereignis zu sein und zu werden. Alle, die in Washington teilgenommen haben - wir waren über hundert Leute von allen Kontinenten - hoffen, dass es ein Weltereignis werden wird. Es geht um eine integrale Ökologie. Das heißt, es geht darum, nachzudenken, dass es nicht nur ein Territorium Amazonien gibt. Es gibt viele Amazonien auf unserer Erde. Und wir müssen die Frage stellen: Wie ist die Beziehung des Menschen zu unserem Planeten - mit der Flora und Fauna, die in Amazonien besteht.

DOMRADIO.DE: Sie selbst haben lange Jahre in Brasilien gelebt. Sie wissen also um die Herausforderungen und auch die vielen Kilometer, die Priester dort zu bewältigen haben. Was für ein Zeichen erwarten die von einer Amazonas-Synode?

Spiegel: Sie erwarten zwei Zeichen: Einmal geht es um diese integrale Ökologie, Wir merken - gerade in Amazonien - dass ein Modell der Ressourcen-Ausbeutung vorherrscht. Es gibt sehr viele Menschenrechtsverletzungen, Zerstörungen, Verfolgungen, Hoffnungslosigkeit. Indigene Völker werden ihrer Lebensgrundlagen, ihrer kulturellen Identität beraubt. Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite gibt es die weiten Wege: Die Pfarrereien haben eine Größe von hunderten Kilometern. Damit ist die Präsenz der Gemeinden vor Ort nicht gegeben. In dieser Hinsicht wird es um zwei Fragen gehen: Wie können die Distanzen - die auch pastorale und kulturelle Distanzen sind - überwunden werden? Zum Zweiten geht es darum, dass bisher ein Modell von Kirche dominiert hat, das europäisch geprägt war. Wir sind auf der Suche und hoffen, dass die Synode da Antworten und Richtungen angeben kann - damit ein neues Modell von Kirche-Sein den indigenen Völkern in ihrer Identität und ihrer Vielfältigkeit gerecht wird.

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade angesprochen, dass die Menschenrechte der indigenen Bevölkerung verletzt werden. Das beklagen auch Nichtregierungsorganisationen immer wieder. Der Amazonas-Urwald wird weiter abgeholzt. Wie kann Kirche bei diesen Themen helfen?

Spiegel: Wir sind in Washington zur Überzeugung gekommen, dass Kirche einen großen Beitrag leisten kann, mit der Natur umzugehen. Die indigene Bevölkerung lebt seit Jahrhunderten eine andere Beziehung zum Urwald. Und es wird immer wieder festgestellt, dass dort, wo indigene Völker leben, ein Leben in Harmonie mit dem Urwald möglich ist. Von daher kann die indigene Bevölkerung einen Beitrag leisten, mit der Natur vor Ort umzugehen. Deshalb fordern wir, dass es einen Paradigmenwechsel gibt, weil ein anderes Leben im Amazonas notwendig ist. Wenn Amazonien krankt, werden langfristig wir alle krank werden.

DOMRADIO.DE: Sie waren jetzt beim Vortreffen. Die Synode startet am 6. Oktober. Was bleibt für Misereor als katholisches Werk für Entwicklungszusammenarbeit bis dahin noch zu tun?

Spiegel: Auf den Fahnen von Misereor steht diese integrale Ökologie, die einen Paradigmenwechsel erfordert - in der Art des Konsumsierens, des Produzierens, in der Art des Lebensstils. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten. Wir wollen zeigen, dass auch wir eigentlich Amazonien sind. Diese Zusammenhänge sind wichtig: Holz, das abgeholzt wird, wird nach Europa exportiert. Es wird Viehzucht betrieben, Fleisch kommt nach Europa. Soja wird nach Europa transportiert.

Das heißt: Wir sind in direkter Weise verbunden mit dem, was im Amazonas geschieht. Und wir von Misereor wollen in der deutschen Öffentlichkeit und in Europa einen Beitrag leisten, um diese Zusammenhänge deutlich zu machen. Das ist das eine. Das zweite ist: Es gibt einen UN-Vertrag, in dem steht, dass die indigenen Völker weltweit eingebunden werden müssen in richtungsweisende Entscheidungen. Das geschieht in der Regel nicht. Von daher wollen wir auch da einen Beitrag leisten für die Selbstbestimmung und die Menschenrechte der indigenen Bevölkerung. 

Das Interview führte Katharina Geiger.


Pirmin Spiegel / © Gottfried Bohl (KNA)
Pirmin Spiegel / © Gottfried Bohl ( KNA )
Quelle:
DR