Dass ein indianischer Einbaum eine ziemlich wackelige Angelegenheit ist, weiß der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser jetzt auch: Acht Tage war er gemeinsam mit seinen Amtskollegen Reinhard Hauke aus Erfurt, Udo Bentz aus Mainz, Matthias König aus Paderborn sowie Vertretern des katholischen Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat in Ecuador unterwegs. Hinfahren, sich selbst ein Bild vom Leben der Menschen im Amazonasgebiet machen: das war die Idee der Reise.
Erste Erkenntnis bei der Fahrt über den Bobonaza im amazonischen Tiefland: "Wenn man im Einbaumfahren nicht so geübt ist wie die Indigenen, muss man schon sehr aufpassen, das ist kippelig. Es sind bei uns direkt zwei Boote umgekippt", erinnert sich Weihbischof Steinhäuser schmunzelnd. Zwei Bischöfe und zwei Adveniat-Vertreter gingen über Bord. "Das war aber nicht schlimm", fügt er hinzu, "das Wasser war warm und es gab auch weder Piranhas noch Krokodile!"
Synode: Es geht nicht nur um Umweltschutz
Für Steinhäuser, der wie seine Amtskollegen auf der Reise Mitglied der bischöflichen Kommission Adveniat ist, war es die zweite Reise nach Lateinamerika. Bei der Dialogreise standen vor allem die Papst-Enzyklika "Laudato si‘" und die für Oktober 2019 anberaumte Amazonas-Synode im Mittelpunkt. Vieles vom viel zitierten "Raubbau an der Schöpfung" konnte die Gruppe dort beobachten: In der nördlichen Provinz Esmeraldas wurden bereits siebzig Prozent der ursprünglichen Mangrovenwälder durch die industrielle Garnelenzucht zerstört. Die Bevölkerung profitiert von den Gewinnen nicht, die Armut dort ist groß. Im Amazonasgebiet Ecuadors beuten inländische und ausländische Firmen die Erdölvorkommen aus. Mit den Folgen, verseuchten Flüssen oder Böden, werden die dort lebenden indigenen Völker meist alleine gelassen. Bei einem Treffen mit dem ecuadoranischen Bischof Pedro Barreto lernten sie die Arbeit des kirchlichen Netzwerkes REPAM ("Red Eclesial Panamazónica") kennen, das sich als kirchliche Antwort auf die fortschreitende Zerstörung der Natur und als Anwalt der Menschen in der Region versteht.
Es sei verkürzend, die Amazonas-Synode nur auf das Umweltthema zu reduzieren, so der Kölner Weihbischof, "es geht auch um die Lebensräume der indigenen Völker, um Menschenrechte, um den Weg der Kirche vor Ort und natürlich geht es dem Papst auch immer um die Evangelisierung." Und es wird bei der Synode um die Frage gehen, wie die Kirche der Zukunft aussehen kann: Großpfarreien und Priestermangel sind im dünn besiedelten Amazonas-Gebiet schon lange Realität. Es gibt viele Dörfer, wo nur wenige Male im Jahr der Pfarrer vorbei kommt, weil Entfernungen so groß und Wegstrecken beschwerlich sind.
Vorbild für eine neue Kirche?
Muss man dahin schauen, wenn man wissen will, wo sich die deutsche Kirche hin entwickelt? Auch wenn die Verhältnisse nicht vergleichbar seien, lohne sich der Blick nach Lateinamerika, so Stephan Jentgens, Geschäftsführer von Adveniat, der ebenfalls mit in Ecuador unterwegs war. "Wir sehen es als unsere Aufgabe, Erfahrungen aus der Weltkirche nach Deutschland zu bringen." Man lerne auf diesen Reisen, dass Kirche auch anders sein kann.
"So eine Reise öffnet schon den Blick für eine andere Wirklichkeit und relativiert Vieles", ergänzt Rolf Steinhäuser. Die Delegation bereiste unter anderem das Vikariat Puyo im Osten Ecuadors: Dort leben rund 400.000 Katholiken auf einer Fläche vergleichbar mit der Größe Belgiens: 16 Priester und 50 Ordensfrauen sind für das Gebiet verantwortlich. "Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass die Menschen und der Bischof darüber verzweifeln", so Steinhäuser, man gehe dort anders damit um: "Die haben durchaus ein klares Problembewusstsein. Aber die sind gerne und froh Kirche und sie sind weit weg von der Larmoyanz der deutschen Kirchen. Sie sehen das als Möglichkeit, Zukunft zu gestalten."
Diskussion um den Zölibat
Wo Priester fehlen, übernehmen kleine Gemeinschaften von Ordensschwestern, Katecheten und engagierte Laien die Verantwortung: sie bereiten Kinder auf die Kommunion vor, organisieren Wort-Gottesdienste, halten die Gemeinden lebendig. "Die Laien sind der wahre Schatz der Kirche", erklärt Jentgens. Adveniat unterstützt sie durch Ausbildung und Förderung. "Kirche braucht einen Ort, Mobilität und Menschen", sagt der Adveniat-Geschäftsführer. Demensprechend fördert das Hilfswerk den Bau einfacher Kirchen- und Gemeinderäume oder stellt geländetaugliche Autos für Priester und Ordensleute, denn "Kirche muss bei den Menschen sein“, so Jentgens. Er ist überzeugt: Dass das Thema Kirchenentwicklung bei der Amazonas-Synode eine Rolle spielt, ist kein Zufall. Das, was in der Amazonas-Region aus praktischen Erwägungen gemacht wird, werde bei dem Treffen noch mal ausgewertet.
Das betrifft auch die Frage der Ämter: "Kippt bei der Synode der Zölibat?" fragen bereits viele Beobachter. Immer wieder wurde spekuliert, ob sich Papst Franziskus angesichts des Priestermangels für die Weihe von "viri probati", also lebenserfahrenen verheirateten Männern, aussprechen wird. Das sei allerdings ein sehr deutscher Blick auf die Synode, so Weihbischof Steinhäuser. Zwar werde dort auch besprochen, wie man Gemeindeleben lebendig halten und Menschen regelmäßig die Eucharistie ermöglicht werden kann – doch der Zölibat sei nicht das zentrale Thema, sagt er.
Für ihn ist die Tatsache, dass die Synode überhaupt stattfindet, schon ein Erfolg. Viele Menschen seien bei der Vorbereitung einbezogen worden, erstmals wird sich die weltweite Leitungsebene der römisch-katholischen Weltkirche mit dem Thema beschäftigen. Das begrüßt der Kölner Weihbischof, denn auch wenn "Laudato si'" weit über die Grenzen der Kirche hinaus ein Thema war: "Innerkirchlich ist das die Enzyklika, die am wenigsten Beachtung gefunden hat", sagt er.
Stephan Jentgens wünscht sich von der Synode vor allem einen Dialog darüber, wie Leben anders gestaltet werden kann: "Ein Leben, das sich nicht nur an Wachstum und Profit orientiert". Das sich etwas vom "buen vivir" abschaue, also dem Konzept der Indigenen von einem guten Leben im Einklang mit ihrer Umwelt. "Die Indigenen sind die besseren Umweltschützer", sagt Jentgens. "Wir hoffen, dass Kirche diesen Lebensstil anerkennt und stärkt. Denn viele wirtschaftliche Interessen, die wir hierzulande treffen und nicht zuletzt unser Lebensstil hier in Europa und Deutschland tragen zum Raubbau an der Schöpfung bei."