Zur Zukunft des Vatikan-Frauenmagazins

"Man muss das wirklich bedauern"

Das Frauenmagazin "Donne Chiesa Mondo" ist ein Farbklecks in der Medienwelt des Vatikans, sagt Gudrun Sailer von Vatican News. Wie geht es nun weiter mit der Beilage des L'Osservatore Romano nach dem Protest-Rücktritt der Redaktion?

 (DR)

DOMRADIO.DE: Welche Themen werden im Frauenmagazin "Donne Chiesa Mondo" behandelt?

Gudrun Sailer (Redakteurin bei Vatican News): Die Redaktion beleuchtet Themen mit einer weiblichen Perspektive. Darunter waren etwa Interviews mit herausragenden Ordensfrauen wie Lea Ackermann, historische Themen, Spiritualität oder theologische Vertiefungen. Es gibt kurze Nachrichten. Nachrichten, ausführlichen Film-Rezensionen und Hintergrundberichte, darunter auch vereinzelt kritischee. "Donne Chiesa Mondo" hat zum Beispiel vor einem Jahr über Ordensfrauen berichtet, die bei Priestern den Haushalt führen. Ich habe selber nicht immer alles spannend gefunden, aber einiges war wirklich auch originell und neu. Die Redaktion scheut nicht die Kontroverse.

DOMRADIO.DE: Wer sind die Leserinnen?

Sailer: Das sind Menschen, die sich für das Thema Frauen in der Kirche interessieren. Das sind gar nicht so wenige. Das Magazin wird auch ins Französische und ins Spanische übersetzt. Es wird aber auch im Vatikan selbst gelesen. Beileibe nicht nur von Frauen, würde ich sagen. 

DOMRADIO.DE: "Wir werfen das Handtuch, weil wir uns von einem Klima des Misstrauens und einer fortschreitenden Delegitimierung umgeben sehen." So hat die Gründerin Lucetta Scaraffia das in einem Brief an Papst Franziskus formuliert. Was genau meint sie denn damit?

Sailer: Lucetta Scaraffia hat einen Anlassfall genannt. Das war der Aufsatz über den Missbrauch von Ordensfrauen durch Priester, der in der März-Ausgabe erschienen ist. Seither, schreibt sie, sei das Misstrauen ihr und ihrer Arbeit gegenüber gewachsen. Es stimmt auch, dass es im Osservatore Romano einen Wechsel in der Chefredaktion gegeben hat. Der langgediente Giovanni Maria Vian ist in Pension gegangen. Mit ihm hatte Scaraffia sich gut verstanden. Er hatte sie damals geholt und zwar mit ausdrücklicher Einladung durch Papst Benedikt XVI. Der Papst wollte mehr Frauen in der Redaktion des Osservatore Romano haben.

Man muss sich vorstellen, dass dort unter Benedikt erst 2008 die ersten Journalistinnen aufgenommen wurden. Vorher arbeiteten dort nur Männer. 2012 kam dann das vatikanische Frauenmagazin "Donne Chiesa Mondo" dazu. Das war schon ein Farbklecks.

Giovanni Maria Vian ist jetzt also weg. Und wie so oft kommt es dann bei einer Neubesetzung zu Streit und Auffassungsunterschieden. In diesem Fall führte es sogar zum Bruch. Man muss das wirklich bedauern. Denn Lucetta Scaraffia hat immer wieder mal Steine ins Wasser geworfen. Das hat der vatikanischen Medienarbeit sicher nicht schlecht getan.  

DOMRADIO.DE: Die Berichterstattung über den Missbrauch von Nonnen durch Kirchenmänner hat nun das Fass zum Überlaufen gebracht?

Sailer: Es war mutig von Lucetta Scaraffia und ihrem Team war, das aufzugreifen. Völlig zu Recht aus meiner Sicht. Das Thema musste auf das Tapet. Darüber ist wirklich viel zu lange geschwiegen worden. Man muss sich in der vatikanischen Medienarbeit auch fragen: Sind wir dazu da, die heiklen und schmerzhaften Dinge wie Missbrauch zu verschweigen? Ich glaube, der ganze Missbrauchsskandal der letzten Jahre hat gezeigt, dass es nur einen richtigen Weg für die kirchliche Medienarbeit gibt. Das ist nämlich das Gegenteil von Schweigen. Das Nachfragen, Nachhaken, Verantwortung übernehmen ist wichtig und das möglichst korrekt und möglichst ohne Polemik. Das ist, glaube ich, das Einzige, was helfen kann.

DOMRADIO.DE: Nun aber schreibt Scaraffia: "Jetzt scheint es uns, dass eine lebensnotwendige Initiative zum Schweigen gebracht wird und dass man zu den veralteten, vertrockneten Sitten zurückkehrt, unter der direkten Kontrolle von Männern Frauen auszuwählen, die als vertrauenswürdig gelten." So heißt es weiter in ihrem Brief an den Papst. Das sind schwere Vorwürfe und das in einer Zeit, in der die Kritik an einem männerdominierten klerikalen Führungsstil innerhalb der katholischen Kirche wächst. Das wirft kein gutes Licht auf den Vatikan, oder?

Sailer: Nun muss man natürlich auch das sehen: Lucetta Scaraffia hat viele Talente. Eines davon ist die Zuspitzung von Sachverhalten. Sie ist auch ein streitbarer Charakter. Sie ist eine Frau, die einen ganz natürlichen Umgang mit ihren Antipathien pflegt. Wen sie nicht mag, den mag sie nicht. Sie ist eine kampflustige Intellektuelle, die kein Problem hat, auf einem Podium einem Kardinal über den Mund zu fahren. Das habe ich selbst erlebt. Im Ganzen ist sie eine erfrischend unkuriale Erscheinung.

Aber es stimmt. Dieser Abgang und der ganze kommunikative Vorgang rundherum werfen kein gutes Licht auf den Vatikan. Es sieht bei oberflächlicher Betrachtung so aus, als wäre sie entlassen worden, weil sie den Missbrauch von Ordensfrauen aufdeckt. Das stimmt aber nicht. Da spielten mehrere Faktoren eine Rolle.

In einem hat sie selbstverständlich Recht. Die Chefs im vatikanischen Medienbereich sind alle Männer - mit oder ohne Priesterweihe - aber alles Männer. Der Papst hätte bei seiner Medien-Reform die Chance gehabt, das mehr zu durchmischen. Offenbar hat er in der Eile keine fähige Frau gefunden, die ihm zugesagt hätte.  

DOMRADIO.DE: Ist es möglich, dass die Redakteurinnen ihre Entscheidung vielleicht doch noch einmal überdenken, sollte sich Franziskus äußern?

Sailer: Die ganze bisherige Redaktion bestand aus freien Mitarbeiterinnen. Es waren keine Redakteurinnen. Lucetta Scaraffia ist 70 Jahre alt, Universitätsprofessorin. Ich mutmaße, dass sie sich das nicht mehr antun wird. Aber die anderen Journalistinnen: Ja, warum nicht? Der Papst liest, glaube ich, den Osservatore Romano nicht wirklich. Sein eigener Medienbereich ist ihm auch nicht vorrangig wichtig. So hat man den Eindruck. Aber ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er der Sache dann doch noch einmal nachgeht. Es passiert auch nicht alle Tage, dass eine ganze Redaktion im Vatikan sich im Protest auflöst. Und der Chefredakteur des Osservatore Romanos hat ja erklärt, er wolle das Magazin weiterführen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Gudrun Sailer / © privat
Gudrun Sailer / © privat
Quelle:
DR