Fast im Minutentakt rollen Lastwagen und Bagger, an unzähligen Stellen wird gehämmert und gebohrt, meterhoch türmt sich alle paar Meter Erdreich auf. Nur mit Fantasie lässt sich derzeit erahnen, wie aus einer ehemaligen Industriebrache am Neckar gerade mal einen halben Kilometer Luftlinie von der Heilbronner Kilianskirche entfernt das Gelände der Bundesgartenschau (BUGA) 2019 wird.
Und nicht nur das. Bis 2040 soll dort der neue Stadtteil Neckarbogen entstehen, der langfristig rund 3.500 Menschen ein neues Zuhause und etwa 1.000 einen Arbeitsplatz bieten soll. In einige Wohnungen ziehen gerade neue Mieter ein, rund 800 sind es nach den Planungen bis zur Eröffnung. Wenn die BUGA zu Ende ist, sollen auf einem Teil der Fläche weitere Häuser entstehen. Wegen dieses Projekts ist in Heilbronn die BUGA erstmals mit einer Stadtausstellung verbunden.
"Die BUGA bietet für Heilbronn die Chance, eine neue Identität zu entwickeln", sagt Peter Seitz. Der katholische Theologe ist zusammen mit der evangelischen Pastorin Esther Sauer für das Kirchenprogramm auf der BUGA verantwortlich, zu der 2,2 Millionen Menschen erwartet werden. Traditionell sind die Kirchen bei der Großveranstaltung dabei, in diesem Jahr sind zwischen 17. April und 6. Oktober rund 600 Veranstaltungen geplant.
Mitten drin ein "Kirchengarten"
Zentraler Ort dabei ist ein "Kirchengarten". Das mehr als 1.000 Quadratmeter große und zentral gelegene Gelände ist von knapp eineinhalb Meter hohen weißen Planen umgeben, auf denen innen Bibelstellen passend zum Leitwort "Leben schmecken" aufgeschrieben sind. Außen auf der rund 150 langen Begrenzung steht das Kirchenmotto in 20 Sprachen - von Aramäisch, der Sprache, die Jesus benutzte, bis zur schwäbischen Version "Läba schmegga".
Seitz und Sauer wissen, dass die Menschen in Heilbronn "nicht zu einem Kirchen- oder Katholikentag kommen, sondern einen schönen Tag erleben wollen". Entsprechend niederschwellig sind die meisten Angebote. Tägliche Gebetsimpulse und Kulturangebote einschließlich Veranstaltungen mit den in Württemberg unvermeidlichen Posaunenchören gehören ebenso dazu wie Spaziergänge über das zur BUGA gehörende Feld mit Schaugräbern. "Wir wollen zeigen, dass zum Geschmack des Lebens auch die schmerzhaften Seiten und natürlich auch der Tod gehören", sagt Sauer. Eine gläserne Stele auf dem Schaugräberfeld soll die christliche Idee von Transzendenz symbolisieren. Wöchentlich wird ein "Gräberspaziergang" angeboten. Einmal im Monat orientiert sich ein zusätzlicher Rundgang speziell an den Interessen von Kindern.
Themen Essen und Umwelt
Aber es geht auch leichter: Passend zum Leitwort thematisieren die Kirchen die Ernährung. Und mit der Organisation Slow Food für genussvolles und regionales Essen wird ein "Gemüse des Monats" präsentiert. "Die Themen Essen und Umwelt haben einen inneren Zusammenhalt", sagt Sauer. Grundsätzlich gelte, sich nicht nur an der Schöpfung zu erfreuen, sondern auch mehr für ihren Erhalt zu tun.
Vielleicht ist es eine kleine Hommage an Martin Luther, wenn in der Mitte des Kirchenareals einige junge, einheimische Obstbäume stehen. Dem Reformator wird das Zitat "Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen" zugeschrieben. Am Rande steht ein Holzturm, für den zu Beginn der BUGA vor Ort noch eine Glocke gegossen werden soll. Daneben sollen eine Kerzenwand und eine kleine Schreibwand dazu anregen, sich damit auseinanderzusetzen, wie das eigene Leben schmeckt.
Gebhard Fürst hält ein Gottesdienst am Pfingstmontag
Zu den Highlights im Kirchenprogramm gehört neben der Eröffnung mit dem evangelischen Landesbischof Frank Otfried July und dessen katholischem Pendant Gebhard Fürst ein Gottesdienst am Pfingstmontag, der live in der ARD ausgestrahlt wird. Aber auch das evangelische Landesmissionsfest, ein Jubiläum des Kolpingverbandes, die Feier des Tages der Schöpfung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), zu der auch Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) erwartet wird, und der Kinderchortag der württembergischen Diözese finden auf der BUGA statt.
Insgesamt investieren die Evangelische Landeskirche und das Bistum Rottenburg-Stuttgart einen sechsstelligen Betrag in die Anlage und ihr 173-tägiges Programm. Die genaue Summe wollen sie nicht nennen. Bewusst, sagen Sauer und Seitz, wollen sich die Kirchen in Heilbronn als Einheit präsentieren. Deutlich werde das schon daran, dass das komplette Angebot unter der Überschrift "Kirche auf der BUGA" stehe - von einer Mehrzahl ist nicht die Rede. Denn es soll ja um einen guten Geschmack am Leben und nicht um höhere Theologie gehen.