Papst Franziskus reist nach Marokko

Brücke zum islamischen Afrika

Transitland für Migranten, Exportnation für einen europäischen Islam, Partner im Kampf gegen Extremismus: Der Vatikan hat viele Gründe, Kontakt zum Königreich im Nordwesten Afrikas zu suchen.

Marokko, Casablanca: Ein Migrant aus der Sub-Sahara zeigt seine Verletzungen, die er sich beim Versuch, den Zaun von Ceuta zu erklimmen, zugezogen hat / © Mosa'ab Elshamy (dpa)
Marokko, Casablanca: Ein Migrant aus der Sub-Sahara zeigt seine Verletzungen, die er sich beim Versuch, den Zaun von Ceuta zu erklimmen, zugezogen hat / © Mosa'ab Elshamy ( dpa )

Dialog mit Muslimen, Solidarität mit Migranten, Stärkung der kleinen christlichen Gemeinde - so lässt sich das Programm von Papst Franziskus dieses Wochenende in Marokko umreißen. Während die Sorge des Hirten der universalen Kirche um seine eigene Herde selbstverständlich ist, verdient die Begegnung des Papstes mit den anderen beiden Gruppen besondere Aufmerksamkeit: Marokko ist Brückenkopf sowohl des Islam als auch für die Zuwanderung nach Europa.

Zuerst die Migration: Seit Italien gemeinsam mit Libyen einen härteren Kurs gegen illegale Einwanderung fährt, hat sich die westliche Mittelmeerroute zum Hauptweg entwickelt. Lag hier die Zahl der Migranten 2016 bei 9.990, so registrierte die Internationale Organisation für Migration (IOM) im vergangenen Jahr 63.325 Personen – so viel wie nirgends sonst.

Flüchtlinge aus Westafrika

Dabei ist es nicht so, dass Migranten, die ursprünglich von Libyen oder Tunesien aus nach Italien überzusetzen gedachten, jetzt einfach auf die westliche Variante ausweichen. Laut IOM gaben bei einer Befragung von Neuankömmlingen in Spanien nur 1,3 Prozent an, ihre Route von Libyen geändert zu haben. Diejenigen, die über Marokko und Algerien nach Europa streben, stammen zu drei Vierteln aus Westafrika: Guinea, Mali, Elfenbeinküste, Kamerun und Senegal.

Der Maghreb ist mittlerweile eine Transitregion - mit allen kriminellen und sozialen Folgeerscheinungen. Wie in Libyen, tragen die Migranten auch auf der Westroute oft traumatische Erfahrungen mit sich. 48 Prozent gaben in der IOM-Erhebung an, Menschenhandel, Ausbeutung oder Missbrauch erlebt zu haben. In Marokko selbst sind Zuwanderer aus dem Süden mit Jugendarbeitslosigkeit und gesellschaftlichen Spannungen konfrontiert.

Bild des Islam nachhaltig geprägt

Nach wie vor ringt Marokko um den richtigen Umgang mit illegaler Migration. Wurden ab 2003 vor allem Maßnahmen zur Grenzsicherung und krimineller Schlepperei implementiert, legte eine Reform 2013 den Fokus auf Legalisierung und Integration. Dem gestiegenen Flüchtlingsandrang hielt dieser humanere Ansatz nicht stand. Mitte 2018 karrte man Migranten kurzerhand zurück ins Landesinnere - unter harter Kritik von Menschenrechtlern.

Die Schwierigkeiten Marokkos mit dem Phänomen verweisen auf einen Paradigmenwechsel: Bis vor wenigen Jahren bedeutete Migration praktisch nur Auswanderung eigener Leute. Gemeinsam mit den Algeriern bilden Marokkaner die größten afrikanischen Landsmannschaften in Europa. Mehr als vier Millionen Marokkaner leben in der EU, hauptsächlich in Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Dort haben sie auch das Bild des Islam nachhaltig geprägt.

Interesse an Kooperation

Papst Franziskus wird all dies bei seinem kurzen Besuch im Blick haben. Marokko und die EU haben beide ein vitales Interesse, in der Migrationsfrage gut zu kooperieren. Jede Unterstützung seitens Europa wird dabei auch der angespannten Stimmung im Land Rechnung tragen müssen, die jüngst wieder Zehntausende zu Protesten gegen prekäre Arbeitsbedingungen auf die Straße trieb. Dass bei der Wahrung des sozialen und politischen Friedens Religion eine maßgebliche Rolle spielen kann, steht für den Papst außer Frage.

Ihm wird auch bewusst sein, dass er in Marokko auf einen anderen Islam trifft als bei seinem Besuch in Abu Dhabi. Es ist ein Islam, dem - nicht zuletzt vermittels historischer und familiärer französisch-marokkanischer Beziehungen - europäische Lebensart nicht fremd ist, und zugleich einer, der eine starke Leitfigur hat: König Mohammed VI.

Mohammed VI. betreibt Religionspolitik aktiv

Der Monarch, der als Reformator im Zeichen von Aufklärung und Toleranz auftritt, führt den Titel "Beherrscher der Gläubigen" – was den Gedanken ausdrückt, dass Kampf gegen Extremismus durchaus mit Glaubensdisziplin einhergehen kann oder sie sogar fordert. Mohammed VI. betreibt Religionspolitik aktiv und mit einer außenpolitischen Vision: Das gemeinsame spirituelle Erbe soll die Partnerschaft der afrikanischen Länder stärken, selbstverständlich unter der Führung Marokkos.

Diesem Ziel dient etwa die intensive Reise- und Religionsdiplomatie des Königs, aber auch ein von ihm gegründetes internationales Institut zur Imam-Ausbildung; es steht auf dem Besuchsplan von Franziskus. Mohammed VI. ist ein einflussreicher Mann. Wie Marokko eine Brücke nach Europa bildet, gilt es dem Vatikan vielleicht auch als Brücke zum islamischen Afrika.


Papst Franziskus / © Vatican Media (KNA)
Papst Franziskus / © Vatican Media ( KNA )
Quelle:
KNA