Es ist der entscheidende Moment der Zeremonie: Als sich Michael Gerber erstmals auf den Bischofsstuhl setzt, brandet Applaus im vollbesetzten Fuldaer Dom auf. Mit der sprichwörtlichen "Inbesitznahme" der sogenannten Kathedra ist Gerber als neuer Bischof des Bistums Fulda im Amt. Um an diesem Sonntagnachmittag bei der Amtseinführung Gerbers dabei zu sein, sind rund eintausend Menschen in den Dom gekommen und bei strahlendem Sonnenschein noch einmal mehrere hundert auf den Domvorplatz, wo das Geschehen per Großleinwand übertragen wird.
Kultur der Menschlichkeit prägen
Mit 49 Jahren ist Gerber der jüngste Diözesanbischof Deutschlands. "Das war ich auch mal - das geht vorüber", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (65) in seinem Grußwort unter dem Lachen der Festgemeinde.
In Fulda könnte Gerber nun mehrere Jahrzehnte im Amt sein. In seiner Predigt rief er die Christen dazu auf, eine weltweite Kultur der Menschlichkeit zu prägen. "Gerade in einer Zeit, in der Gegensätze wieder stärker betont werden, in der jene die Oberhand zu gewinnen scheinen, die Abgrenzung predigen und Mauern errichten, gerade in dieser Zeit sind wir herausgefordert, neu Verantwortung für unseren Planeten zu übernehmen."
Bisher in Freiburg als Weihbischof tätig, war Gerber am 13. Dezember 2018 von Papst Franziskus zum Fuldaer Bischof ernannt worden. Als Gerber eine Woche später seinen ersten Auftritt in seinem künftigen Bistum hatte, wurde er im Dom bereits mit ungewöhnlich lautem Beifall begrüßt. Und am Ende von Menschentrauben umringt. Dass er gut auf unterschiedliche Menschen zugehen kann, war da bereits offensichtlich.
Marx: Lebendigkeit, Offenheit und geistliche Tiefe
Auch am Sonntag war angesichts des 1,92 Meter großen, jugendlich-dynamischen Bischofs eine Art Zeitenwende im Dom spürbar. Kardinal Marx hob in seinem Grußwort die "Lebendigkeit", "Offenheit" und "geistliche Tiefe" Gerbers hervor. Gerber sei ein Bischof, "der Freude ausstrahlt", sagte Marx. Gerbers Vorgänger Heinz Josef Algermissen (76) war 17 Jahre im Amt. Er trat am 5. Juni 2018 altersbedingt in den Ruhestand.
Als Michael Gerber vor einigen Monaten den Anruf bekam, dass er der zukünftige Bischof von Fulda sein werde, war er "zunächst sprachlos", wie er vor Journalisten in einer recht unbekümmerten Art berichtete. In seiner Lebensplanung sei dieses Ziel nicht drin gewesen. "Ich bin nicht gerne aus Freiburg weggegangen, aber gerne nach Fulda hingegangen", fasste er seine Stimmung zusammen. Gerber ist nun der 18. Bischof des 1752 gegründeten Bistums Fulda.
Pilgerwanderung vor der Amtseinführung
Am 15. Januar 1970 im Schwarzwaldort Oberkirch geboren, gilt Gerber als bodenständig und heimatverbunden. Er ist begeisterter Skilangläufer, Wallfahrer und Wanderer. An den beiden Tagen vor seiner Amtseinführung unternahm er eine Pilgerwanderung auf einem mehr als 40 Kilometer langen Teilstück der Bonifatius-Route bis nach Fulda. Am Freitag schlossen sich ihm 500 Mitstreiter an, am Samstag wurde er laut Bistum auf der letzten Etappe von Haimbach zum Fuldaer Dom von knapp 1.000 Mitpilgern begleitet.
Gerber galt schon früh als kirchliches Nachwuchstalent. Nach seinem Theologiestudium in Freiburg und Rom wurde er 1997 zum Priester geweiht. Er hat langjährige Erfahrungen in der katholischen Jugendarbeit und ist Mitglied der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz. "Ich bin jemand, der sehr gern mit jungen Menschen unterwegs ist", sagt Gerber über sich selbst. Den persönlichen kontakt will er auch als Bischof nicht verlieren. Papst Franziskus hat er mehrfach als Vorbild genannt.
Geprägt von der Schönstatt-Bewegung
Gerbers Glaube ist auch von der Schönstatt-Bewegung geprägt, die eine intensive Marienverehrung und das gemeinschaftliche Leben auszeichnet. Und er ist Mitglied der Bischofskommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste. Zu den Themen Pflichtzölibat, Machtbeschränkung und Sexualmoral hat er sich bisher nur sehr vorsichtig positioniert. Die Forderung, Priestern die ehelose Lebensform freizustellen, hört man von ihm bislang nicht.
Die Gläubigen stimmte er darauf ein, dass sich auch in Zukunft "manche Spannung nicht auflösen lassen" werde. Es werde auch schmerzhafte Entscheidungen geben, sagte der neue Bischof, ohne dies schon näher zu konkretisieren. "Es wird die Zukunft auch geprägt sein vom Abschied von Liebgewonnenem", betonte Gerber und bekam spontanen Beifall im Dom für einen eher nebenbei gesagten Satz: "Manches Neue passt einfach nicht in die vorgefertigten Formen."
In seiner Predigt ging er auch auf den Missbrauchsskandal ein. Seelsorger, die sich hier schuldig gemacht haben, hätten "wesentliche Dimensionen ihrer Existenz ausgeblendet oder gar abgespaltet". Sie hätten Schutzbefohlenen lebenslange Schädigungen zugefügt. Um solchen Verbrechen künftig vorzubeugen, will der neue Fuldaer Bischof erreichen, dass Priester auch in schwierigen Lebenssituationen stärker begleitet werden, in "Netzwerken von Weggefährten". Er selbst sei seit vielen Jahren in einer Gruppe von Priestern eingebunden. "Ohne diese Beziehungen könnte ich meinen Weg so nicht gehen", sagte Gerber bei seiner Amtseinführung.