DOMRADIO.DE: Seit Ihrem Amtsantritt sind über 15 Jahre vergangen. Noch immer liegt der Frauenanteil auf höherer Diözesanebene bei gerade einmal 13 Prozent. Wie erleben Sie das – hat sich trotzdem etwas zugunsten der Frauen verschoben?
Dr. Daniela Engelhard (Theologin und Leiterin des Seelsorgeamtes im Bistum Osnabrück): Ich meine schon, dass sich etwas verändert hat - zum Beispiel im Kreis meiner Kollegen und Kolleginnen. In Seelsorgeamtsleitungen im deutschsprachigen Raum habe ich mittlerweile zehn oder sogar elf Kolleginnen. Das ist schon fast ein Drittel. Da hat sich die Zusammensetzung der Konferenz deutlich verändert. Es ist viel stärker ein Miteinander von geweihten, gesendeten und beauftragten Frauen und Männern geworden.
Insgesamt ist das Thema Frauen in kirchlichen Leitungspositionen viel stärker ins Bewusstsein geraten, auch durch die neue Untersuchung von Frau Dr. Qualbrink. Auch die Stellungnahme der Bischofskonferenz dazu und natürlich deren Vorhaben, eine Quote von 30 Prozent Frauen auf diesen obersten Leitungsebene einzuführen, zeigt das.
DOMRADIO.DE: Was wird denn anders, wenn Frauen auf oberer Ebene in katholischen Kreisen etwas zu sagen haben?
Engelhard: Priester sind nicht mehr unter sich. Zum Beispiel ist mit mir im Priesterrat bei uns im Bistum eine Pastoralreferentin. Wir sind also zwei Frauen. Die Priester sind nicht mehr für sich. Und es werden wichtige Themen - in meinem Fall die pastorale Seelsorge - gemeinsam beraten. Es kommen unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen zum Tragen.
Das ist ja im Grunde für alle Themen, die in der Kirche aktuell sind, wichtig. Nehmen wir die aktuelle Missbrauchskrise: Es ist unverzichtbar, dass da die Erfahrungen, Einschätzungen und Kompetenzen von Männern und Frauen zusammenkommen. Dadurch weitet sich der Blick und auch die Handlungsmöglichkeiten werden vielfältiger. Nicht zuletzt gilt das allgemeine Prinzip gemischter Teams: Sie sind innovativer und leistungsstärker.
DOMRADIO.DE: Haben Sie es selbst erlebt, dass Ihnen Geistliche als Frau nicht auf Augenhöhe begegnen?
Engelhard: Es mag sein, dass ich vor Jahren einmal erlebt habe, dass sich einzelne Geistliche daran gewöhnen mussten, dass ich in einer Leitungsposition bin oder dass ich in Kontexten war, wo man das einfach nicht kennt oder das nicht selbstverständlich war. Es mag sein, dass ich das erlebt habe, ich kann mich aber im Moment an keinen konkreten Einzelfall erinnern. Bei uns im Bistum ist es mittlerweile natürlich und selbstverständlich geworden.
DOMRADIO.DE: Die Bischöfe haben sich bis zum Jahr 2023 eine Frauenquote von 30 Prozent verordnet. Ist das sinnvoll?
Engelhard: Ich finde es sinnvoll, dass die Bischöfe eine prüf- und messbare Zielvorgabe gesetzt haben. Sie sagen ja, dass sie das nach fünf Jahren überprüfen wollen. Ich glaube, nur so wird man auch wirklich vorankommen: Wenn man nur allgemein sagt "wir wollen mehr Frauen in Leitungspositionen", dann ist das vage und unverbindlich. Aber so hat man wirklich eine messbare Größe.
DOMRADIO.DE: Und ist dies ein realistisches Ziel?
Engelhard: Ich glaube schon, dass es realistisch ist. Viele Führungspositionen auf den diözesanen Ebenen sind nicht an das Amt gebunden. Die rechtlichen Spielräume können noch viel mehr ausgenutzt werden. Denken wir an die Leitung von Personalressourcen, von Rechtsabteilungen, Finanzabteilungen, Bildungsabteilungen, Seelsorgeämtern und Caritas. Da ist noch viel möglich.
Es gibt einzelne Bistüme, die schon mehr als 30 Prozent Frauen beschäftigen. Das sind sehr wenige Bistümer, aber es gibt sie. Ich glaube, dass 30 Prozent durchaus eine realistische Größe ist. Man muss aber auch etwas dafür tun.
DOMRADIO.DE: Die höchsten Entscheidungspositionen in der katholischen Kirche sind weiterhin Klerikern vorbehalten. Bleibt die Diskussion um Frauen in katholischen Führungsämtern nicht irgendwie doppelzüngig?
Engelhard: Ich halte es für einen sehr wichtigen Weg, dass man überall, wo es geht, Frauen in Führungspositionen fördert und Gestaltungsspielräume ausnutzt. Einfach deshalb, weil Frauen dadurch wirklich an wichtigen Schaltstellen sitzen und in zentralen Entwicklungen von Bistümern mitgestalten, mitreden und mitentscheiden.
Das wirkt sich auch wieder aus. Solche Frauen verändern das Gesicht von Kirche. Sie fördern Frauen als Nachwuchskräfte, die später einmal Führungspositionen übernehmen können. Das schließt nicht aus, dass man Themen wie das Diakonat auch weiter theologisch bearbeitet. Auch das halte ich für wichtig, dass man diese Themen weiter offen lässt und weiter bearbeitet.
Das Gespräch führte Hilde Regeniter.