Mentoring-Programm für weibliche Nachwuchskräfte in der Kirche

"Führungspositionen paritätisch besetzen"

Die katholische Kirche in Deutschland hat sich bis 2023 eine Frauenquote von 30 Prozent verordnet. Das Arbeitsfeld Kirche soll durch ein Förderprogramm attraktiver werden. Die Quote sei sinnvoll, meint die Projektleiterin.

Frauenquote / © Christian Charisius (dpa)
Frauenquote / © Christian Charisius ( dpa )

Hinweis: Hier finden Sie alle Inhalte der Blickpunkt-Woche "Frauen in der Kirche".

DOMRADIO.DE: Eine Frauenquote in der katholischen Kirche, was denken Sie darüber?

Alexandra Schmitz (Projektleiterin des Mentoring-Programms "Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf" vom Hildegardis-Verein): Für mich hat Geschlechtergerechtigkeit tatsächlich ein sehr hohen Wert und die Quote verstehe ich als Hilfsmittel dahin zu kommen. Von daher halte ich sie tatsächlich für sehr sinnvoll. Aber hoffentlich ist sie auch irgendwann überflüssig. In hierarchischen Strukturen, die wir ja nun in der Kirche auch haben, ist es umso wichtiger, dass eine Führungsebene eine Idee davon hat oder auch tatsächlich eine Absichtserklärung abgibt, Frauen in Führung einzusetzen. Es darf dann aber nicht dabei bleiben, dass sie im Grunde verspricht das zu tun, sondern sie muss dann auch handeln. Ansonsten bleibt die Quote oder die gewollte Quote im Grunde eine Worthülse.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn eigentlich Zahlen, wie es in den Führungspositionen im Moment aussieht?

Schmitz: Das gibt es tatsächlich. Frau Dr. Qualbrink hat für die Bischofskonferenz diese Zahlen erhoben. Aktuell ist es so, dass in den obersten Führungsetagen die Führungspositionen von 19 Prozent Frauen besetzt werden und auf der mittleren sind es 23 Prozent. Also es ist noch ein kleiner Weg bis zu den angezählten 30 Prozent.

DOMRADIO.DE: Dieser Weg könnte ja mit Ihrem Förderprogramm gegangen werden. Wie funktioniert das genau?

Schmitz: Unser Mentoring-Programm ist keine klassische Fortbildung im eigentlichen Sinne, sondern setzt sehr verstärkt auf Reflektionen. Es werden Nachwuchsführungskräfte ausgewählt und denen wird eine Mentorin oder ein Mentor an die Seite gestellt, die sich ein Jahr lang regelmäßig treffen – alle vier bis sechs Wochen für ein bis zwei Stunden. Die Mentees können ihre Themen und ihre Ziele einbringen und die Alltagserfahrungen mit der Mentorin reflektieren und austauschen. Sie erfahren so eine Menge darüber, wie Aufstieg und Führung in der Organisation funktioniert und lernt letztendlich dadurch die Organisation auch besser kennen.

Gleichzeitig bilden die Nachwuchsführungskräfte ein eigenes Netzwerk und das ist gerade auch sie wirklich wichtig,. Sie können sich gegenseitig austauschen und stärken. Das findet vorwiegend in den zentralen Veranstaltungen statt, die wir auch anbieten. Zu Beginn des Programms treffen sich alle Beteiligten für drei Tage. Zum Abschluss treffen sie sich noch einmal und in der Halbzeit ebenso.

DOMRADIO.DE: Bischof Bode hat gesagt, das sich leider oft nicht genügend Frauen auf kirchliche Top-Positionen bewerben. Was hält denn Frauen Ihrer Meinung nach davon ab?

Schmitz: Auch hier möchte ich gerne die Studie von Frau Dr. Qualbrink hervorziehen. Sie hat erfragt, was eigentlich Hemmnisse und Hindernisse für Frauen sind. Da gab es ein paar interessante Erkenntnisse.

Das eine ist, dass Führungspositionen in der katholischen Kirche für Frauen als wenig attraktiv wahrgenommen werden und die geschlechtlich unausgewogene Leitungsstruktur tatsächlich wenig attraktiv ist für Frauen. Weiterhin gibt es Fachbereiche, in denen tatsächlich die Frauenzahlen geringer sind als die der Männer. Das sieht man ja auch an Studierendenzahlen, also in welchen Fächern wie viel Männer und Frauen studieren.

Es gibt aber auch ganz konkrete Probleme, sage ich mal. Es gibt eine Haltung, dass Leitungsstellen eigentlich nicht teilbar sind, das heißt, sie werden fast ausschließlich in 100 Prozent vergeben und gleichzeitig wird eine Präsenzkultur erwartet. Das ist an vielen Stellen einfach für Frauen nicht so sehr attraktiv.

DOMRADIO.DE: Das sind teilweise Probleme, die es im sonstigen Arbeitsmarkt natürlich auch gibt. Ihr Mentoring-Programm bietet den Frauen auch ein Weg in ein Netzwerk, oder?

Schmitz: Ja genau. Ich mache die Erfahrung, dass Männer etwas anders netzwerken als Frauen. Männer nutzen häufig ihre Netzwerke sehr viel strategischer als es viele Frauen tun, insbesondere in beruflichen Kontexten. Gerade in einer Organisation, wie der katholischen Kirche, in der es tatsächlich noch unüblich ist, dass Frauen den Finger heben und sagen "Hallo, ich habe Lust auf Leitung, nehmt mich wahr". Das irritiert das System und umso wichtiger ist es, da andere Frauen an der Seite zu haben, mit denen man sich austauschen kann oder man sich gegenseitig stärken kann. Im besten Fall bleiben nach Beendigung des Programms noch Kontakte bestehen, die man nutzen kann .

DOMRADIO.DE: In der katholischen Kirche treffen Kleriker die wirklich wichtigen Entscheidungen und Frauen sind per se von Weiheämtern ausgeschlossen. Das ist wahrscheinlich auch ein Hemmnis. Lässt sich das denn überhaupt auflösen?

Schmitz: Wir haben uns im Mentoring-Programm auf den Bereich beschränkt, der aktuell veränderbar ist. Das sind an vielen Stellen die Führungspositionen in den Generalvikariaten oder Ordinariaten. Es gibt nämlich tatsächlich wenig rechtliche Vorgaben, dass die Führungspositionen durch Priester besetzt werden müssen. Häufig ist es eher eine Tradition. Und dann müsste man sozusagen den Kulturwandel eigentlich vorantreiben.

Ich selbst bin aufgewachsen, wenn man so sagen will, in der katholischen Jugendverbandsarbeit. Dort habe ich erlebt, wie gut paritätische Strukturen funktionieren. Ich habe erlebt, dass Leistung teilbar ist und zwar nicht nur in Teilzeit möglich, sondern auch auf zwei, auf vier, auf sechs Personen aufteilbar. Meines Erachtens wäre das eine gute Möglichkeit, die auch die katholische Kirche oder die Amtskirche anwenden könnte, einfach Führungspositionen paritätisch zu besetzen.

DOMRADIO.DE: Vielleicht fehlt ja da nicht eine Frauenquote in der katholischen Kirche sondern ein Mentoring-Programm für die Bistümer selbst, um dort die Strukturen zu ändern?

Schmitz: Das ist ein interessanter Aspekt, zumindest könnte sie mal ein bisschen auf ihre eigenen Verbände und Gliederungen schauen und mal gucken, was da schon gut läuft und was man sich da abschauen kann.

Das Interview führte Beatrice Steineke.


Quelle:
DR
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