Bei einem Treffen mit dem bulgarisch-orthodoxen Patriarchen Neofit am Sonntag in Sofia verwies Franziskus auf das Glaubenszeugnis verfolgter Christen, soziales Engagement und die Glaubensweitergabe an die jüngere Generation als verbindende Handlungsfelder. Franziskus sprach von einer "Ökumene des Blutes, der Armen und der Mission". Neofit dämpfte Erwartungen. In Glaubensdingen könne und dürfe es "keine Kompromisse" geben, betonte er.
Patriarch Neofit lobte Papst für Aussagen zu Europa
Das Verhältnis der bulgarisch-orthodoxen Kirche zu anderen christlichen Gemeinschaften gilt als schwierig. Neofit äußerte sich beim Empfang von Franziskus am Patriarchatssitz lobend über Aussagen des Papstes zu den christlichen Wurzeln Europas und über seine Warnung vor einer wachsende Christenverfolgung. In diesen Punkten gebe es Übereinstimmung. Die orthodoxe Kirche freue sich, wenn andere geistliche Führer ihre Überzeugungen teilten, aber man unternehme "jede Anstrengung, um Kompromisse beim Glauben nicht zuzulassen", sagte der Patriarch.
Dass Franziskus nach "nur 17 Jahren" als zweiter Papst nach Bulgarien reise, wertete Neofit als "Ausdruck des Respekts gegenüber der orthodoxen Kirche Bulgariens". An dem Treffen nahm auch der Heilige Synod teil, das oberste Leitungsgremium der Kirche. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung in Bulgarien gehören der orthodoxen Kirche an; der Katholikenanteil beträgt nach Vatikanangaben ein Prozent.
Papst: Einheit trotz Verschiedenheit
Franziskus hob hervor, "eine gewisse Verschiedenheit der Sitten und Gebräuche" stehe der Einheit der Kirche "nicht im geringsten" entgegen. Bei unterschiedlichen theologischen Aussagen zwischen Ost- und Westkirche müsse man "oft mehr von einer Ergänzung als von einer Gegensätzlichkeit" sprechen.
Der Papst erinnerte an seit 1968 regelmäßig erfolgende Besuche bulgarisch-orthodoxer Delegationen im Vatikan sowie an die Präsenz einer bulgarisch-orthodoxen Gemeinde in Rom und päpstliche Gesandte in Bulgarien. "Ich bin zuversichtlich, dass sich diese Kontakte mit Hilfe Gottes und in der Zeit, die die Vorsehung bestimmen wird, positiv auf viele andere Aspekte unseres Dialogs auswirken werden", sagte er.
"Freude der Vergebung"
Wenn Christen gemeinsam das Bekenntnis von Christus ablegten und ihre Fehler einsähen, könnten sie "vielleicht die Freude der Vergebung wiederentdecken", sagte der Papst. Für ein gemeinsames Glaubenszeugnis verwies Franziskus auf die Verfolgungen des vergangenen Jahrhunderts. Diese Gläubigen unterschiedlicher Konfessionen seien bereits "im Himmel vereint".
Im Anschluss besuchte Franziskus mit Neofit die Alexander-Newski-Kathedrale, die als Patriarchatskirche dient. Der neobyzantinische Bau erinnert an 20.000 gefallene russische Soldaten, die bei der Befreiung Bulgariens von den Osmanen 1877-78 ums Leben kamen. Der Papst betete dort vor dem Thron der Slawenapostel Kyrill und Method, die im 9. Jahrhundert die christliche Missionierung in weiten Teilen Osteuropas betrieben.
Papst: Impuls für Ökumene aus Bulgarien
Der ökumenische Aufbruch der katholischen Kirche hängt nach Worten von Papst Franziskus maßgeblich mit Bulgarien zusammen. Angelo Giuseppe Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII. (1958-1963), habe als Gesandter von 1925 bis 1934 in Bulgarien die Tradition der Ostkirche schätzen gelernt und so den Anstoß zur Förderung des ökumenischen Dialogs erhalten, der sich dann im Zweiten Vatikanischen Konzil (1963-1965) fortsetzte. Die katholische Kirche müsse Bulgarien für die "weise und inspirierende Intuition" Roncallis danken, sagte Franziskus bei seinem Mittagsgebet am Sonntag in Sofia.
Der Papst hält sich seit Sonntag zu einem zweitägigen Besuch in Bulgarien auf. Das Mittagsgebet fand vor der bulgarisch-orthodoxen Patriarchalbasilika und gemeinsam mit Vertretern anderer Kirchen und nichtchristlicher Religionen statt, unter ihnen Geistliche der armenischen Kirche, des Judentums und des Islam. Separat von dieser Veranstaltung war der Papst zuvor mit der Leitung der bulgarisch-orthodoxen Kirche und Patriarch Neofit in dessen Amtssitz zusammengekommen. Eine offizielle Anwesenheit der bulgarisch-orthodoxen Kirche beim Gebet war nicht vorgesehen.
Franziskus nannte Bulgarien ein zwar orthodoxes Land, aber auch einen Kreuzungspunkt verschiedener Religionen. Die unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften müssten "die Kultur des Dialogs als Weg, die allgemeine Zusammenarbeit als Verhaltensregel und das gegenseitige Verständnis als Methode und Maßstab annehmen", betonte er. Dies werde "jeden Tag notwendiger".