Hühner gackern, ab und zu kräht ein Hahn, vereinzelt bellen Hunde. Über der bulgarischen Kleinstadt Rakowski strahlt ein warmer Frühlingsmorgen. Die Zufahrtsstraßen sind von Polizisten gesäumt, vor der Herz-Jesu-Kirche stehen Absperrungen, Sicherheitsschleusen. Geduldig warten Menschen auf Einlass. Freudige Anspannung liegt über der scheinbaren Idylle. Die einen, um die es heute geht - 245 Erstkommunionkinder - warten schon seit Stunden in der Kirche; der andere Hauptakteur wird noch erwartet: Papst Franziskus.
#6maggio #Bulgaria #PopeinBulgaria Pioggia di petali di rose all'uscita di #PapaFrancesco dalla chiesa del Sacro Cuore. Guarda il video! pic.twitter.com/2BiWMGEMl1
— Vatican News (@vaticannews_it) 6. Mai 2019
Erstkommunion mit dem Papst?
Eine solche Chance wollten sich viele Familien nicht entgehen lassen. Und so stieg die Zahl der Erstkommunionanmeldungen im Land sprunghaft, nachdem für den ersten Montag im Mai in der Katholikenhochburg Rakowski eine zentrale Feier bekanntgegeben worden war. Der Wermutstropfen für die Glücklichen: Jedes Kind kann nur von einem Elternteil in die Kirche begleitet werden. Der andere muss das Ereignis vor der Kirche auf Bildschirmen verfolgen. Eine der größten katholischen Kirchen Bulgariens ist an diesem Tag zu klein.
Für die winzige Minderheit der Katholiken im Land ist der Besuch ihres Oberhauptes ein "riesengroßes Fest", wie mehrere Teilnehmer der Veranstaltungen sagen. Kein Wunder: Zwar machen sie nur ein Prozent der Bevölkerung aus, aber doch stand in der Hauptstadt Sofia die komplette Staatsspitze stramm, wurde auf zentralen Plätzen gefeiert.
"Brücke der Liebenden"
Auf einer Fußgängerbrücke in Sofia, die zum Nationalen Kulturzentrum führt, haben katholische Kirche und Stadtverwaltung Infotafeln installiert, auf denen die 1.000 Jahre alte Geschichte der Beziehungen zwischen Rom und Bulgarien erzählt wird - dazu zählen die Slawenapostel Kyrill und Method und Angelo Roncalli, der von 1925 bis 1934 in Bulgarien als Päpstlicher Vertreter wirkte. Der Name des Steges: "Brücke der Liebenden".
Von Liebe zwischen der orthodoxen Mehrheitskirche in Bulgarien und Rom kann derzeit nicht wirklich die Rede sein. Der Empfang, den Patriarch Neofit und sein Heiliger Synod dem Gast aus Rom am Sonntagmittag bereiten, ist höflich, aber kühl. "Dort, wo es möglich ist", wolle man Franziskus' Engagement gerne folgen, sagt der 73 Jahre alte Neofit. So freue man sich vor allem über dessen "starke Worte zur Verteidigung der christlichen Wurzeln Europas" und die Warnungen vor zunehmender Christenverfolgung. Mehr nennt er nicht, betont dafür zweimal, dass seine Kirche in Glaubenssachen keine Kompromisse eingehe.
Der Papst hingegen fällt quasi mit der Tür ins Haus. Schon in den ersten Sätzen spricht er vom Ziel der Eucharistiegemeinschaft, hält Gastgebern wie sich selbst "unsere Fehler" vor Augen und fordert, gegenseitig die "Freude der Vergebung" wiederzuentdecken. Er lobt Bulgariens Brückenfunktion für Europa, die kreative Mission der Slawenapostel Kyrill und Method und wünscht sich neue Verkündigungswege für junge Menschen.
Papstgottesdienst in Sofia
Bei einer Messe mit gut 7.000 Menschen am Sonntagnachmittag auf einem zentralen Platz in Sofia spricht Franziskus vom Gott "der Überraschungen", der "lähmende Verhärtungen löst", kritisiert die Haltung des "Das haben wir immer so gemacht". Eine Gruppe junger Ordensschwestern in der Menge nickt zustimmend und vielsagend lächelnd. Immer wieder ermutigt Franziskus seine Zuhörer, fordert auf, sich zu engagieren und "keine Angst zu haben, neue Herausforderungen anzunehmen".
Um ein Beispiel dafür lobend hervorzuheben, besucht Franziskus am Montagvormittag ein Aufnahmezentrum für Migranten und Flüchtlinge am Stadtrand von Sofia. Dort trifft er 50 Erwachsene und Kinder aus Syrien und dem Irak. Ein afghanischer Flüchtling erzählt von seinen Erfahrungen, eine Freiwillige der Caritas von ihrer Arbeit.
Situation der Migranten in Bulgarien
Bereits am Sonntag hatte Franziskus an Regierung und Politiker appelliert, sich Migranten nicht zu verschließen; Bulgarien selbst kenne das "Drama der Auswanderung", sagte er. Den im Dezember in Marokko beschlossenen UN-Migrationspakt lehnt Bulgarien ab. Bei der Sicherung der EU-Außengrenzen vertritt das Land einen harten Kurs. Im November 2018 ermahnte die EU Bulgarien, Einrichtungen und Umgang mit Migranten dringend zu verbessern.
In der Kirche in Rakowski geht die Erstkommunionfeier zu Ende. Dabei wird der Papst wieder einmal zum Gemeindepfarrer. Allen 245 Kindern teilt er persönlich die Kommunion aus - eine ungewöhnliche Geste. Zuvor hat er nach seiner auf Italienisch gehaltenen Predigt seine Kernaussage vom "Personalausweis" der Christen mit Hilfe eines Dolmetschers im Dialog mit den Kindern wiederholt: "Gott ist unser Vater, Jesus ist unser Bruder, die Kirche ist unsere Familie, wir sind Geschwister, unser Gesetz ist die Liebe."