Der Papst hat für ein differenziertes Bild der Pharisäer geworben. Unter Christen wie in der übrigen Gesellschaft habe das Wort "Pharisäer" oft die Bedeutung "einer selbstgerechten oder heuchlerischen Person" bekommen, sagte das Kirchenoberhaupt am Donnerstag. Franziskus äußerte sich vor Teilnehmern einer internationalen Tagung zum Thema "Jesus und die Pharisäer". Diese seien für Juden die Gründer des rabbinischen Judentums und somit ihre geistlichen Vorväter.
Die historische Bewegung der Pharisäer ist Gegenstand einer internationalen christlich-jüdischen Fachtagung in Rom. Veranstaltet wird sie seit Dienstag von der Päpstlichen Bibelkommission gemeinsam mit dem American Jewish Committee und dem Kardinal-Bea-Zentrum für jüdische Studien an der Päpstlichen Universität Gregoriana.
Kritik an der Aussage von Papst Franziskus
Während der Konferenz hatte am Mittwoch ein jüdischer Teilnehmer Franziskus' Ausdrucksweise kritisiert. Der Papst selbst benutze oft das Zerrbild der Pharisäer, um damit Legalisten, herzlose Gesetzeshüter und Heuchler innerhalb und außerhalb der Kirche zu bezeichnen. Franziskus verwies in seiner Ansprache indes auch auf Gemeinsamkeiten der Jesus-Bewegung mit den Pharisäern sowie auf respektvolle Begegnungen zwischen Jesus und Pharisäern.
An der Konferenz nehmen jüdische, evangelische und katholische Gelehrte aus zehn Ländern teil. Unter den Referenten sind der österreichische Judaist Günter Stemberger, der in Bonn lehrende Neutestamentler Hermut Löhr, der Schweizer Jesuiten-Provinzial Christian Rutishauser sowie der US-amerikanische Rabbiner David Rosen und der mit Franziskus freundschaftlich verbundene argentinische Rabbiner Abraham Skorka. Zur Rezeption der Pharisäer in den Oberammergauer Passionsspielen sprach auch deren Regisseur Christian Stückl.
Die theologische Schule der Pharisäer entstand im zweiten vorchristlichen Jahrhundert im Bemühen um die Wahrung der jüdisch-religiösen Identität in einem kulturell schwierigen Umfeld. Besonderes Gewicht legten die Pharisäer auf die Heiligung des Alltagslebens. Nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 vermochten sie als einzige jüdische Gruppe die mit dem Ende des Tempelkults verbundene theologische Krise zu bewältigen, sodass aus ihnen das heutige Judentum hervorging.