Ruf nach kirchlichen Verwaltungsgerichten wird lauter

Jurist Rennert: "Dringend notwendig" - Sternberg: "Höchste Zeit"

Jahrzehntelang verpuffte die Forderung nach einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Doch nun könnte die katholische Kirche genau damit "ein Stück Glaubwürdigkeit zurückgewinnen", meint Gerichtspräsident Rennert.

Autor/in:
Norbert Demuth
Insignien weltlicher Gerichtsbarkeit: Hammer, Justitia und Aktenstapel. / © Volker Hartmann (dpa)
Insignien weltlicher Gerichtsbarkeit: Hammer, Justitia und Aktenstapel. / © Volker Hartmann ( dpa )

Wer sich durch das Vorgehen eines katholischen Pfarramts, Dekanats oder bischöflichen Ordinariats in seinen Rechten verletzt fühlt, kann bislang nicht dagegen klagen. Es fehlt dafür eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit, also eine juristische Instanz. Die Forderung, Verwaltungsgerichte in der katholischen Kirche zu schaffen, ist schon 44 Jahre alt. 1975 war auf der "Würzburger Synode", die in Deutschland das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) umsetzen sollte, der Entwurf für eine kirchliche Verwaltungsgerichtsordnung vorgestellt worden. Doch dabei blieb es Jahrzehnte lang.

Forderung nach kirchlicher Verwaltungsgerichtsbarkeit nimmt Fahrt auf

Erst seit einigen Monaten - infolge der innerkirchlichen Reformdebatte nach Vorstellung der Missbrauchsstudie - hat die Forderung wieder "Fahrt aufgenommen". Das sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, in seinem "Bericht zur Lage" bei der seit Freitag in Mainz tagenden ZdK-Frühjahrsvollversammlung.

Die Bischöfe hätten sich dieses Anliegen, das schon in der "Würzburger Synode" 1975 an sie adressiert worden war, inzwischen "zu Eigen gemacht". Möglicherweise werde die Frage der kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit "eine der ersten sein, bei der wir erleben, dass die Bischöfe endlich vom Reden ins Handeln kommen", sagte Sternberg und fügte hinzu: "Es ist wirklich höchste Zeit."

Reformbereitschaft und Glaubwürdigkeit

Auch der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Klaus Rennert, hält die Einführung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit für "dringlich". Es sei "Zeit, diese Chance zu ergreifen", sagte er am heutigen Samstag vor der ZdK-Vollversammlung in Mainz.

Eines stellte der Jurist aber klar: Die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit sei "kein Instrument zur Bewältigung des Missbrauchsskandals". Aber: "Der Skandal macht reformbereit." Es bestehe die Hoffnung, "dass die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit diese Reformbereitschaft an einer prominenten Stelle allgemein sichtbar dokumentieren und damit ein Stück Glaubwürdigkeit zurückgewinnen würde". Inhaltlich aber habe eine Verwaltungsgerichtsbarkeit nichts mit den Missbrauchsfällen zu tun. Sie sei keine Straf- oder Disziplinargerichtsbarkeit.

Mehr Legitimität

Rennert hält die Forderung nach einer innerkirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit "auch für klug". Die Lösung und Entscheidung eines Streitfalles würde sich dabei "allein an rechtlichen Maßstäben" ausrichten und halte somit Willkür fern. "Das Mehr an Legitimität und Vertrauen, das hieraus erwächst, stärkt die Kirche insgesamt, und sie ist darauf gerade in unseren Tagen mehr denn je angewiesen." Nötig wäre bei der Besetzung der Gerichte eine Mitwirkung von Klerikern und von Laien, "und zwar mit gleichem Stimmrecht". Ebenso notwendig sei eine Mitwirkung von Juristen des kirchlichen und gegebenenfalls des staatlichen Rechts.

Eine Verwaltungsgerichtsbarkeit würde zudem den Diözesanbischof von der Verantwortung in oft eher alltäglichen Streitsachen entlasten, sagte Rennert. Ein Beispiel: Ein Pfarrgemeinderat beschwert sich, dass das Ordinariat keine Genehmigung zum Einbau einer Heizung in das Kirchengebäude erteilt - unter Berufung auf kirchlichen Denkmalschutz.

Einrichtung von Gerichten heute schon möglich

Doch was ist mit Fällen, in denen die kirchliche Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat") katholischen Theologieprofessoren vom Diözesanbischof verweigert wird? Wäre eine Klage bei einem kirchlichen Verwaltungsgericht angesiedelt, oder sollten Lehrstreitigkeiten dem Bischof vorbehalten sein? Dies sei strittig, sagte Rennert. Er deutete nur an, wie ein kirchliches Gericht damit umgehen könnte. Möglicherweise könnte es prüfen, ob der Bischof tatsächlich inhaltliche Einwände gegen die theologische Lehre des Professors geltend macht. "Es könnte ja sein, dass die Verweigerung des 'Nihil obstat' nur vorgeschoben ist, um ganz andere Einwände gegen den Professor zu bemänteln." Derartiges ist zwar "Gott sei Dank sehr selten, aber völlig auszuschließen ist es nicht".

Und noch etwas betonte der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts mit Blick auf das Kirchenrecht: "Jeder Diözesanbischof könnte schon heute für seinen Bereich ein kirchliches Verwaltungsgericht einrichten." Nur für die Installation eines Obergerichts für ganz Deutschland bräuchte die Bischofskonferenz die Genehmigung des Vatikan, so Rennert. Ein solches bundesweites Obergericht wäre "als zweite Instanz sinnvoll".


Quelle:
KNA