Hohe Sicherheit, Boykottaufrufe und mäßiger Touristenandrang

Tel Aviv feiert den "Eurovision Song Contest"

Der  "Eurovision Song Contest" in Tel Aviv stößt auf Proteste. Schon im Vorfeld riefen Künstler zum Protest auf und begründeten dies mit Israels Vorgehen gegen die Palästinenser. Nun stimmen auch Juden in den Protest ein - wenn auch aus einem anderen Grund.

Bewohner des Gazastreifens protestieren gegen den Eurovision Song Contest in Tel Aviv / © Oded Balilty (dpa)
Bewohner des Gazastreifens protestieren gegen den Eurovision Song Contest in Tel Aviv / © Oded Balilty ( dpa )

Am Dienstagabend war es soweit: Die ersten 17 Teilnehmer stellten sich in Tel Aviv dem ersten Halbfinale des "Eurovision Song Contest" (ESC), weitere 18 präsentieren sich an diesem Donnerstag in der zweiten Runde. "Wage zu träumen" lautet das Motto der 64. Ausgabe. Für sieben Kandidaten war der Traum schon am ersten Abend aus. Boykottaufrufe im Vorfeld und Proteste am Rande zeigen zudem, dass das Musikfest in Israel, das am Samstag ins Finale geht, nicht für alle der Traum der Saison ist.

Künstler weltweit riefen zum Boykott der Veranstaltung auf

Israel feiert den ESC und sich selbst. Ermöglicht hat das die israelische Sängerin Netta Barzilai, die mit ihrem Sieg 2018 in Lissabon die diesjährige Austragung nach Israel holte. Internationale Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Künstler aus aller Welt riefen dazu auf, die Veranstaltung zu boykottieren. Sie begründeten dies mit Israels Vorgehen gegen die Palästinenser und forderten die Verlegung des ESC in ein Land "mit einer besseren Menschenrechtsbilanz".

Ähnlich lauteten Aufrufe palästinensischer Künstler und kritischer israelischer Stimmen. Die Veteranenorganisation "Breaking the Silence" sorgte innerisraelisch mit einem Banner für Diskussionen, mit dem sie entlang der Autobahn nach Tel Aviv bei Besuchern für politische Touren ins Westjordanland warb.

Die Tourismusbranche blieb optimistisch. Mit bis zu 10.000 ausländischen Touristen, viele davon Erstbesucher, rechnete Tel Aviv zum ESC. Angesichts der Rekorde mit mehr als vier Millionen Touristen landesweit im vergangenen Jahr eine eher niedrige Zahl.

Tel Aviv präsentiert ein eigens eingerichtetes "Eurovision-Dorf"

Das tatsächliche Interesse schien schließlich noch etwas geringer. Weder die angedachten Kreuzfahrtschiffe als schwimmende Zusatzhotels noch Massencampingplätze waren nötig, um den Besucherstrom zu bewältigen. Die teils ins Utopische geschnellten Hotelpreise in Tel Aviv wurden zuletzt deutlich nach unten korrigiert.

Mit einem eigens errichteten "Eurovision-Dorf", nach Stadtangaben dem größten in der Geschichte des Wettbewerbs, Gratis-Konzerten, Public Viewing und einem begleitenden kulinarischen Festival präsentiert sich Tel Aviv als Hot Spot: die Stadt, die nie schläft und Besucher mit Stränden, gutem Essen und einer Mischung aus Events und Gelassenheit empfängt. Freie Hebräischkurse und Schabbat-Abendessen in Gastfamilien sollen Israeliness und jüdische Tradition vermitteln.

Für das israelische Tourismusministerium ist der ESC zudem ein Anlass für eine großangelegte Imagekampagne. Der ESC sei "eine Gelegenheit, Israel das Jahr hindurch als kulturelles und lifestyle-Ziel zu bewerben", so Generaldirektor Amir Halevi.

Kritik: Generalprobe für das Finale findet um den Schabbat statt

Dass die Generalprobe für das Finale des ESC ausgerechnet nach Beginn des jüdischen Ruhetags Schabbat stattfindet, sorgte im Vorfeld für Kritik aus dem religiös-jüdischen Lager. 2.000 erteilte Ausnahmegenehmigungen für Arbeit am Schabbat gossen zusätzlich Öl ins Feuer.

Die ultraorthodoxe Partei "Vereintes Torah-Judentum" ließ aus Protest etwa die Koalitionsverhandlungen mit dem Likud ruhen, der Partei des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Der ESC sei eine "individuelle internationale Veranstaltung" mit im Übrigen mehrheitlich nichtjüdischen Teilnehmern, konterte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu laut Medien zum ESC-Auftakt.

Als entschärfend dürfte die Tatsache gewertet werden, dass der Wettbewerb nicht wie von der Regierung zunächst befürwortet im konservativ-religiösen Jerusalem ausgetragen wird, sondern im säkularen Tel Aviv. Bis auf kleinere Proteste und propalästinensische Solidaritätsveranstaltungen blieb es bisher ruhig.

Israels Sänger Kobi Marimi ist direkt für das Finale qualifiziert

Rund 20.000 Polizisten sollen in der ESC-Woche in Tel Aviv zum Einsatz kommen, für Sicherheitsmaßnahmen zu Wasser, zu Land und in der Luft. Drohte zunächst die jüngste Gewalt am Gazastreifen einen Schatten auf das Großereignis in Tel Aviv zu werfen, läuft gegenwärtig der ESC dem anhaltenden israelisch-palästinensischen Konflikt den Rang ab. Daran scheinen bisher auch die Proteste nichts zu ändern.

Ein vorzeitiges Ausscheiden im Halbfinale muss Israel im ESC ebenfalls nicht fürchten: Wie die Kandidaten der sogenannten "Big Five" Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien ist auch Kobi Marimi mit seiner Ballade "Home" direkt für das Finale am kommenden Samstag qualifiziert.

Von Andrea Krogmann


Das offizielle Logo für den Eurovision Song Contest (ESC) 2019 in Tel Aviv  / © European Broadcasting Union (dpa)
Das offizielle Logo für den Eurovision Song Contest (ESC) 2019 in Tel Aviv / © European Broadcasting Union ( dpa )

Israel, Tel Aviv: Blick auf die Stadt / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Israel, Tel Aviv: Blick auf die Stadt / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Kobi Marimi ist Israels Kandidat für den Eurovision Song Contest / © Ariel Schalit (dpa)
Kobi Marimi ist Israels Kandidat für den Eurovision Song Contest / © Ariel Schalit ( dpa )

Vor dem Eurovision Song Contest - Protest im Gazastreifen / © Oded Balilty (dpa)
Vor dem Eurovision Song Contest - Protest im Gazastreifen / © Oded Balilty ( dpa )
Quelle:
KNA