Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode kennt nach schwerer Krankheit aus persönlicher Erfahrung, was Leiden bedeuten kann: "...wenn man kein Buch mehr halten kann, wenn man nicht mehr beten kann - wie wortlos man wird" - und wie angewiesen und zugleich dankbar für jede Zuwendung.
Für den Vorsitzenden der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz ist das ein Grund mehr, für eine ganzheitliche Begleitung von Menschen in schwerstem Leiden und im Sterben zu werben. Dazu stellte er am Donnerstag in der Berliner Nuntiatur das "Weißbuch PAL-LIFE" der Päpstlichen Akademie für das Leben vor - passend zum Start des dreitägigen Kongresses der Europäischen Gesellschaft für Palliativversorgung in der Hauptstadt mit rund 3.000 Teilnehmern aus etwa 100 Ländern.
Experten erläutern, was moderne Palliativversorgung bedeutet
In dem Weißbuch erläutern internationale Experten praxisnah, was moderne Palliativversorgung bedeutet. Dabei tritt es für eine ganzheitliche Begleitung Sterbender ein, die die medizinische, soziale und spirituelle Dimension gleichermaßen umfasst, wie der Akademiedirektor, Erzbischof Vincenzo Paglia, erläuterte. Das von der Libreria Editrice Vaticana herausgegebene Buch wendet sich weltweit an Gesundheitsinstitutionen, aber auch an Verbände, Medien und politisch Verantwortliche.
Zu den Autoren gehört Thomas Sitte, der Vorsitzende der Deutschen PalliativStiftung. Als Mediziner weiß er um die unterschiedlichen Nöte Sterbender und ihrer Angehörigen: Der jüngste Patient, den er im vergangenen Jahr beim Sterben begleitete, war 28 Tage alt, der älteste hundert Jahre. Sitte geht es zuerst um Aufklärung, auch angesichts der jüngsten Diskussion um den Strafrechtsparagrafen 217, der organisierte Sterbehilfe verbietet. Das Bundesverfassungsgericht will bald in einem Grundsatzurteil über Klagen gegen das Gesetz von 2015 entscheiden. Die Verfassungsbeschwerden kommen von Sterbehilfevereinen, Medizinern und Kranken, die ärztliche Unterstützung bei der Selbsttötung einfordern.
Sitte bewertet die Rechtslage hingegen als "sehr, sehr gut". Das gelte auch für Ärzte. Es sei "grundfalsch", dass Palliativmediziner nicht mehr angstfrei vor juristischer Verfolgung Sterbende begleiten könnten. Und durch die Hospiz-Begleitung müsse zumindest in Deutschland auch kein Patient "mehr körperlich leiden, als er es ertragen kann". Die PalliativStiftung sei zwar gegen lebensverkürzende Maßnahmen. Nach geltendem Recht sei im Einzelfall aber durchaus eine Hilfe zur Selbsttötung erlaubt. Das Verbot betreffe allein die organisierte Beihilfe.
Bischof Bode beklagt "Wiederaufflammen der Debatte"
Auch Bode beklagte das "Wiederaufflammen der Debatte" um den Paragrafen 217, wobei "die Selbsttötung als ein Grundrecht und die Beihilfe dazu als eine allgemein verfügbare Dienstleistung angesehen werden". Wenn auf diese Weise die Unantastbarkeit der Menschenwürde aufgegeben werde, betone die Kirche mit Nachdruck, "was für uns ein Sterben in Würde bedeutet und wie wir es ermöglichen wollen".
Die palliative Fürsorge sei die beste Antwort auf die Suizidwünsche kranker und hilfsbedürftiger Menschen, zeigt er sich überzeugt. Umso wichtiger ist für Bode, "dass die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland flächendeckend ausgebaut wird". Dazu gehöre etwa eine angemessene Personalausstattung in stationären Einrichtungen und Kliniken. Wesentlich ist für den Bischof dabei die seelsorgliche Begleitung.
Hier müsse das Profil der Kirche wieder deutlicher werden. Bode warb für ein "Wiederentdecken der Sakramente der Kirche am Lebensende", zumal in einer Zeit, in der das Bedürfnis nach Zeichen, Gesten oder Liturgien wachse. Das gelt etwa für die Eucharistie als "reines Beschenktwerden mit der Liebe Gottes". Zugleich würdigte Bode den ehrenamtlichen Dienst. Er biete auch die Chance, den gesellschaftlichen Umgang mit schwerer Krankheit und Sterben positiv zu verändern.
Paglia verwies auf ein Paradox: "Wir wissen, dass auf der ganzen Welt der Umgang mit Tod nicht mehr Teil der Kultur ist", zugleich sei die Frage nach dem Sinn von Schmerz, Leiden und Tod allgegenwärtig.
Allerdings fehlten auch den Kirchenvertretern hier oft die richtigen Worte. Deshalb müsse das Thema dringend theologisch wie pastoral vertieft werden. Bode kündigte an, dass die Pastoralkommission schon bald eine Erklärung zur kirchlichen Sterbebegleitung veröffentlichen werde.