70 Jahre lang verschandelte ein Korsett aus Stahlträgern die kleine Kapelle über dem Grab Christi in der Jerusalemer Grabeskirche. Es stand für die Baufälligkeit an der bedeutendsten Heiligen Stätte der Christenheit, aber auch für die Zerstrittenheit und Rivalität der hier zuständigen christlichen Kirchen, die sich auf keine gemeinsame Restaurierung verständigen konnten.
Dann aber entschlossen sich die drei Kircheneigner - Griechisch-Orthodoxe, Armenier und katholische "Lateiner" (vertreten durch die Franziskaner) - plötzlich zu einer Restaurierung. 2016 begannen die Arbeiten an der baufälligen Kapelle, der sogenannten Ädikula. Nach zehn Monaten war das Projekt abgeschlossen. Die vom Kerzenruß und Weihrauch der Jahrhunderte geschwärzte Kapelle strahlte in hellem Beige, und die Statik war so gefestigt, dass kein Pilger mehr um sein Leben fürchten musste.
Neueröffnung als Erfolg der Ökumene
Die christliche Welt feiert die Neueröffnung als Erfolg der Ökumene, die in Jerusalem alte Barrieren in brüderlichem Einvernehmen überwunden hatte. Und auch der griechisch-orthodoxe Patriarch Theophilos III., der armenische Patriarch Nourhan Manougian und Franziskaner-Kustos Francesco Patton sprachen von einem neuen Kapitel der Gemeinsamkeit.
Wobei dazu auch israelischer Druck beigetragen hatte. Denn deren Polizei erschien im Februar 2015 unangemeldet in der Grabeskirche und sperrte die Kapelle für Kleriker und Pilger - wegen Baufälligkeit und instabiler Strukturen. Nach Protesten der sofort herbeigeeilten Kirchenoberen wurde die Sperre nach vier Stunden wieder aufgehoben. Aber hinter verschlossenen Türen begannen Sondierungen und Absprachen - die 13 Monate später zu dem Bauprojekt führten.
Die Freude über die restaurierte Ädikula war nicht ungetrübt. Denn bei den Arbeiten, bei denen unter den Marmorplatten sogar noch gewachsener Fels zutage trat, zeigten sich neue Probleme: Die Grabkapelle stand auf unsicherem Grund. Der Fußboden in der gesamten Rotunde war durch eingesickerte Feuchtigkeit instabil geworden, sogar Hohlräume hatten sich gebildet, die Infrastruktur war unzureichend. - Aber der Restaurierungsvertrag galt nur für die Ädikula.
Fortsetzung der Restaurierung
So mussten die Kirchenführer neu verhandeln, und das brauchte gut zwei Jahre. Am Montag unterzeichneten die drei Kircheneigner am Sitz der Franziskaner-Kustodie nun die Vereinbarung für eine Fortsetzung der Restaurierung. Sie soll in zwei Phasen erfolgen. Zunächst eine gründliche Untersuchung des Bodens, die im September beginnen und etwa ein Jahr lang dauern soll. Nach deren Ergebnis richtet sich dann die zweite Phase, wie und in welchem Umfang der Boden stabilisiert und erneuert werden soll.
Lagen die Restaurierungsarbeiten 2016/17 in Händen griechischer Wissenschaftler, so wird die jetzige Untersuchung von zwei wissenschaftlichen Instituten aus Italien betreut. Und die Arbeiten würden stets auch von Archäologen begleitet, versicherte Patton am Rand der Unterzeichnung.
Er und die beiden Patriarchen sprachen erneut von einem ökumenischen Erfolg, von einer neuen Phase der Brüderlichkeit und des Miteinanders der Kirchen in Jerusalem, die dieses zweite Restaurierungsprojekt möglich gemacht habe. Und der Grieche Theophilos III. unterstrich zusätzlich die diplomatische und politische Dimension dieser Zusammenarbeit für den Frieden in Jerusalem.
Auswirkungen für den Tourismus
Wie lange die vermutlich 2020 beginnenden Arbeiten der zweiten Phase dauern werden, ist noch unklar. Auf jeden Fall soll die Grabeskirche auch während jener Zeit für Gottesdienste, Liturgie und für Pilger geöffnet sein, so wie es auch bei der letzten Bauphase der Fall war. "Wir bringen da unsere Erfahrungen mit", betonte Theophilos III.
Natürlich hat die Renovierung auch Auswirkungen für den Tourismus. Die Zahl der Besucher in der Grabeskirche habe sich seit der Erneuerung der Grabkapelle verdoppelt, betonte Patton. Was natürlich auch mit dem gegenwärtigen Touristen-Boom zu tun hat, den Israel, die Palästinensergebiete und damit auch die Heiligen Stätten erleben.
Wer heute den verwinkelten Bau der Grabeskirche besucht, muss sich Zeit nehmen. Den ganzen Tag über herrscht lebhaftes Gedränge. Die längsten Schlangen bilden sich stets an der Grabkapelle, die jeder Besucher nur für einen kurzen Moment betreten kann. Aber auch an den beiden Treppen zum höher gelegenen Kreuzigungsfelsen auf Golgotha bilden sich stets Menschentrauben. Wer die wichtigste Stätte der Christenheit in Ruhe erleben will, sollte die Morgenstunden wählen.