Der 16. August 2005 war für Frère Alois kein Tag der Beförderung. Als ihn beim Weltjugendtag in Köln die Nachricht vom Tod des 90-jährigen Ordensgründers Frère Roger erreichte, war klar: Von nun an musste er, der schwäbische Katholik Alois Löser, als Prior die berühmte ökumenische Gemeinschaft von Taizé leiten. Am 11. Juni wird Frère Alois 65 Jahre alt.
Seit 1973, seit seinem 19. Lebensjahr, lebt der in Stuttgart geborene Frère Alois auf dem Hügel von Burgund. Als Besucher ließ er sich für die Idee von Taizé begeistern und erlebte das Vorbereitungsjahr auf das sogenannte Konzil der Jugend mit, das im August 1974 in Taizé begann. Im Frühjahr 1974 verbrachte er drei Wochen im kommunistischen Prag. Dort habe er gespürt, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), "welche Möglichkeiten die Kirche hat, Grenzen zu überschreiten - und wie sehr von Taizé eine Dynamik für Versöhnung und für diese Grenzüberschreitung ausgeht".
"Echte Aufbruchstimmung"
Die Eröffnung des "Konzils der Jugend" war ein großes Fest. Frère Alois: "Es herrschte echte Aufbruchstimmung; eine Hoffnung, dass sich in Kirche und Gesellschaft vieles verändert: mehr Gerechtigkeit, ein stärkeres christliches Engagement." Die frühen 70er Jahre waren eine wilde Zeit, engagiert, politisch, bewegt – Stichwort Studentenrevolte. Was hat die Jugend damals angezogen an diesem "Konzil" von Taizé? Frère Alois: "Man hat gespürt, dass hier ein Ort ist, an dem einem zugehört wird, an dem man so sein kann, wie man ist, ohne dass gleich Forderungen gestellt werden."
Zur Eröffnung des "Konzils" kamen 40.000 Jugendliche für drei Tage. Es regnete und regnete. Für die gemeinsamen Gebete waren große Zelte aufgebaut. Der Taizé-Gründer Frère Roger selbst wertete das Konzil später als gescheitert, änderte die Richtung. Es dürfe nicht alles auf Taizé zentriert sein; die Jugendlichen sollten konkret in die (heimische) Kirche hineinwirken. Mit den Worten von Frère Alois: "Wir wollten in Taizé und um Taizé herum keine organisierte Jugendbewegung aufbauen. Unser Aufruf ist bis heute: "Geht in eure Kirchengemeinden; dort ist der Ort der Kirche. Der Glaube kann nur in Gemeinschaft gelebt werden, und das muss in eurer Ortskirche stattfinden!" Taizé sei "ein Ort des Durchgangs, ein Ort für Pilger".
Eine warmherzige und sehr integrative Persönlichkeit
Für ihn selbst galt das allerdings nicht: Taizé blieb sein Leben. Im November 1974 trat er als Frère Alois in die Communaute ein. In Lyon studierte er Theologie, ist jedoch kein Priester. Wer mit ihm spricht, erlebt eine warmherzige und sehr integrative Persönlichkeit. Bei seinen jüngeren Mitbrüdern trug er den Spitznamen "Erzengel" und genoss volles Vertrauen. Schon 1997 benannte ihn Frère Roger zu seinem designierten Nachfolger.
Mehr und mehr übernahm Frère Alois fortan die organisatorische Leitung der Gemeinschaft, war Koordinator und Quartiermeister für die europäischen Taizé-Treffen. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit waren vor seiner Zeit als Prior Reisen nach Mittel- und Osteuropa, wo die Gemeinschaft mehrere Anlaufstationen für Menschen in Not einrichtete.
Einfachheit und gemeinsames Gebet
Zu Hause in Taizé organisierte er unter anderem die großen Jugendtreffen, komponierte aber auch einige der so typischen geistlichen Gesänge. Ein Erfolgsgeheimnis der Taizé-Gemeinschaft sieht Frère Alois in ihrer Einfachheit – und im gemeinsamen Gebet. Dabei, so beschreibt er das Erlebnis, schauten alle zusammen in die gleiche Richtung.
Mit Frère Alois, der die Rolle des Priors, Gastgebers und Integrators wie selbstverständlich ausfüllt, hat sich Taizé konsequent neue Arbeitsfelder erschlossen: Migration und Solidarität, die Angst vor dem Unbekannten. Zudem ist die Gemeinschaft noch internationaler aktiv: in Afrika, China, auf Kuba. Wichtige Veränderungen erkennt Frère Alois auch in der Erwartung der jungen Leute. In den 70er Jahren, bei seinem Eintritt, habe es auch viel Kritik an Kirche und Gesellschaft gegeben; doch sei damals klarer gewesen, worum es beim Christsein geht. "Heute fragen junge Leute: Was heißt glauben überhaupt? Sie entdecken in Taizé: Ich darf auf einer Suche sein – und niemand verlangt von mir, dass sofort alles klar ist."