Die Theologie ringe durchaus mit dem Problem des Bösen und habe unterschiedliche Deutungsansätze vorgelegt, sagte der Wiener Dogmatiker der Wochenzeitung "Die Tagespost". Ein Irrweg aber wäre es, den Teufel als Erklärungsmuster zu bemühen und konkrete menschliche Freiheitsakte auf "seine unsichtbare Hand" zurückzuführen.
Kein Mensch hat Tücks Worten zufolge die Definitionshoheit, menschliches Fehlverhalten unmittelbar als Wirken des Teufels zu identifizieren. Wer Menschen als "Agenten des Satans" hinstelle, sei in der Gefahr, ihre moralische Verantwortung zu halbieren und sie zu dämonisieren. Deshalb hält der Theologe auch die päpstliche Rede vom Teufel im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch für "sehr problematisch".
Problemverschiebung auf geistliche Ebene
Für ihn stelle sich hier die Frage, wie es auf die Opfer wirke, wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche sexuelle Gewalt von Priestern und Ordensmännern an Kindern und Jugendlichen "auf das Wirken des Teufels zurückführt und damit das Problem von der menschlichen Verantwortung auf die geistliche Ebene verschiebt".
Nicht der Teufel stehe hier im Raum, sondern das konkrete Versagen von Priestern, die sich an Minderjährigen vergriffen hätten, und das konkrete Versagen von Bischöfen, Verantwortlichen in den Ordinariaten und Gläubigen, die darum gewusst, geschwiegen und nichts getan hätten.
Aus der Anonymität heraustreten
Natürlich sei es unangenehm, dies klar beim Namen zu nennen, so Tück weiter: "Aber ohne ungeschminkte Wahrnehmung der Fakten kommen wir in der Krise nicht weiter." Die sexuellen Übergriffe müssten moralisch und juristisch aufgearbeitet werden.
Statt hier auf die Ebene der Sündentheologie zu gehen, seien zunächst systemische Faktoren zu analysieren, die Missbrauch begünstigten. Dazu gehöre neben einer Tabuisierung der Sexualität auch das flächendeckende Ausmaß an Vertuschung.
Täter seien gedeckt und Opfer mundtot gemacht worden, um die Glaubwürdigkeit der "heiligen Kirche" nicht zu gefährden. Es sei ein Ärgernis, dass viele Verantwortliche in Kauf genommen hätten, dass an neuen Einsatzorten wiederum Kinder und Jugendliche Gefährdungen ausgesetzt worden seien, "ja zu Opfern werden konnten". Bisher habe es aber niemand gewagt, aus der Anonymität herauszutreten und persönliche Verantwortung für Vertuschungsdelikte zu übernehmen, beklagte Tück.