Der Papst hat die Katholiken aufgerufen, im Oktober täglich den Rosenkranz zu beten. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, ist doch der Oktober in der katholischen Kirche der "Rosenkranzmonat".
Ungewöhnlich ist ein spezielles Anliegen von Franziskus: Die Gläubigen sollen um den Schutz der Kirche gegen den Teufel bitten, der die Menschen von Gott und untereinander zu spalten suche. In einer Erklärung verweist der Vatikan auf eine Predigt des Papstes vom 11. September. Darin habe er vom "Großen Ankläger" gesprochen.
Anspielung auf Erzbischof Vigano?
"Großer Ankläger" ist eine der Bedeutungen, die das hebräische Wort "Satan" in der Bibel haben kann, irgendwo zwischen "Gegner" und "Staatsanwalt". In der Predigt nannte der Papst eigens Bischöfe, die unter Anklage stünden - sich eingeschlossen. Das Kirchenoberhaupt bringt den Teufel nicht ins Spiel, um Schuld auf eine anonyme, fremde Macht abzuwälzen. In der Vatikan-Erklärung zum Rosenkranzgebet heißt es weiter, die Kirche müsse sich ihrer Schuld sowie "des früher und heute begangenen Missbrauchs immer bewusster werden" und konsequent dagegen vorgehen.
Die erwähnte Papst-Predigt hatte wenige Tage zuvor auch der frühere Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Vigano, zitiert. Er erneuerte seine vieldiskutierte Kritik am Papst, sexuelles Fehlverhalten des früheren Washingtoner Erzbischofs Theodore McCarrick (88) und eine angebliche Maßregelung dessen durch Benedikt XVI. ignoriert zu haben. Neue Belege für seine Vorwürfe vom 25. August enthält Viganos zweiter Brief vom 27. September nicht.
Journalisten haben in den vergangenen Wochen rund um die Vorhaltungen des Vatikandiplomaten recherchiert. Das Zwischenergebnis: Einiges stimmt, einiges - vor allem Namen anderer Verantwortlicher - lässt Vigano aus, vieles ist einseitig dargestellt. Hinzu kommen ein erhebliches Maß an Pathos und Schaum vor dem Mund.
All das ändert nichts daran, dass sachliche Vorwürfe beantwortet werden müssen. Nicht vom Papst, sondern von der Kurie, denn vor allem deren Verantwortliche sind betroffen. Der Kardinalsrat K9 hat bei seinem jüngsten Treffen schon einmal deutlich mit dem Zaunpfahl gewinkt: Da müsse noch etwas kommen vom Vatikan.
Erhöhte Schlagzahl von Vorwürfen
Keine Frage: Angesichts von Missbrauch und Vertuschung stehen die Verantwortlichen in der Kirche in der Tat unter einer "großen Anklage" - und unter Spannung. Verschärft wird dies dadurch, dass diverse Fraktionen - in der Kirche wie in Medien und sozialen Netzwerken - die Debatte für ihre Anliegen zu instrumentalisieren suchen.
Langjährige Vatikanbeobachter sagen, heute habe sich die Schlagzahl der Vorwürfe erhöht, die Wortwahl deutlich verschärft. Damit liegt die Kirche im allgemeinen Trend gesellschaftlicher Auseinandersetzungen - eine Weltlichkeit, die Franziskus und sein Vorgänger Benedikt XVI. mehrfach scharf kritisiert haben. Manche Beobachter schwadronieren schon von einem "Bürgerkrieg in der Kirche". Das ist übertrieben. Aber es gibt Spaltungen.
Damit diese nicht tiefer werden, setzt der Papst aus Lateinamerika auch auf das Gebet um Schutz vor dem, der spaltet: dem Teufel. Von diesem spricht Franziskus immer wieder. Der Papst wolle aber keine Angst machen, so der Theologe Thomas Ruster, in einem Kommentar zu Franziskus' Schreiben über Heiligkeit "Gaudete et exsultate" vom März. Er wolle aber zeigen, "wie stark diese Macht des Bösen ist", und sensibilisieren für die Gefahr, die Versuchung und die Macht des Bösen.
Die einfachen Gläubigen einbeziehen
In den beiden Zusätzen zum Rosenkranzgebet kommt der "Satan" allerdings nur einmal vor. So heißt es in dem wieder aufgegriffenen Bittgebet Leos XIII. an den Erzengel Michael: "Gegen die Bosheit und Nachstellungen des Teufels sei unser Schutz." Der Leiter des päpstlichen Gebetsnetzwerks, das die neue Rosenkranz-Initiative fördern soll, der französische Jesuit Frederic Fornos, spricht auch schlicht vom Gebet "um Schutz der Kirche in schwierigen Zeiten".
Dabei will der "Pfarrer-Papst" die einfachen Gläubigen einbeziehen, jenes Volk, das er immer wieder lobt, an dessen Eigenverantwortung er appelliert. Denn das Volk Gottes ist für Franziskus auch ein Garant gegen Fehlentwicklungen auf der Leitungsebene der Kirche. Dazu sollen sie aber nicht nur beten, sondern sich bei zuständigen Experten melden, wenn sie Unrecht bemerken. Das hat Franziskus schon früher gefordert.