Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte in der Tageszeitung "Bild" an diesem Montag: "Greta ist keine Heilige, sondern ein Mensch, der sich Gedanken macht über die Zukunft, wie es übrigens viele schon immer in den christlichen Kirchen tun. Wer glaubt, dass die Welt Gottes Schöpfung ist, der kann nicht einfach zusehen, wie Menschen sie zerstören."
Kirchentag kann Solidarität mit der Erde fördern
Der Kirchentagspräsident Hans Leyendecker sagte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur, der Evangelische Kirchentag könne "die Idee von der Solidarität wiederbeleben". Dabei gehe es auch um Solidarität mit der Erde und mit allen Erdbewohnern. "Auf diesem Globus sind wir alle voneinander abhängig. Und der Solidarität muss Handeln folgen." Der am kommenden Mittwoch beginnende Kirchentag in Dortmund könne auch zeigen, wie trotz mancher Probleme Wandel gelingen könne.
Um die Erde künftigen Generationen möglichst heil übergeben zu können, brauche es in der Gesellschaft einen Bewusstseinswandel, erklärte der 70-jährige Journalist. "Wir müssen Solidarität mit der Erde haben, denn wir haben sie verbeult." Über Veränderungen der Strukturen müsse genauso geredet werden wie über privates Verhalten.
Klimakabinett mache Symbolpolitik
Die Freitagsdemonstrationen junger Leute für Klimaschutz findet Leyendecker "toll". "Das ist eine Erweckungsbewegung, die entstanden ist, weil wir geschlafen haben", sagte er. "Wir haben viel zu spät reagiert und gesagt, jetzt muss man wirklich etwas tun." Der Weckruf sei erfolgt, aber er wisse nicht, ob er von Politik und Gesellschaft wirklich verstanden werde. "Das Klimakabinett der Bundesregierung ist eher Symbolpolitik", kritisierte der Kirchentagspräsident.
Um Ängsten und Unsicherheiten in der Gesellschaft zu begegnen, sollten nach Leyendeckers Worten Dinge vorangebracht werden, die für das Menschsein wichtig seien. Dabei gehe es um Werte wie Solidarität mit Schwachen, Beleidigten und Erniedrigten, aber auch um Ökologie.
Kein Heiligenschein für Parteien
Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm sagte in Bezug auf die Grünen, dass seine Kirche keine Wahlempfehlung für die Grünen abgebe. "Keine Partei bekommt einen Heiligenschein. Deshalb ist es gut, dass wir auf allen Ebenen unserer Kirche und in ihren Ämtern Vertreter ganz unterschiedlicher Parteien haben."
Gegen Kriminalisierung von Seenotrettern
Zugleich wies Bedford-Strohm Kritik an seinem Engagement für die Seenot-Rettung von Migranten im Mittelmeer zurück. "Es gibt keinen Sog-Effekt. Mittlerweile dürfen die Retter kaum noch helfen. Die EU-Mission Sophia ist eingestellt. Und dennoch haben fast 3.000 Menschen in den letzten 18 Monaten ihr Leben im Mittelmeer verloren."
Menschen ertrinken zu lassen, könne keine migrationspolitische Lösung sein. Niemand käme auf die Idee, einen Unfallfahrer, der unangeschnallt an einen Baum gefahren ist, zur allgemeinen Verkehrserziehung verbluten zu lassen. "Und wenn Menschen, die Ertrinkende aus dem Mittelmeer retten, dafür auch noch kriminalisiert werden, dann ist das eine Schande - nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa."
Asylverfahren auf den Prüfstand stellen
Auch die Rückführung Geretteter an die nordafrikanische Küste lehnte Bedford-Strohm ab. Die Menschen auf den Booten kämen aus Lagern in Libyen, in denen grausamste Zustände herrschten. "Wenn man diese Menschen wieder der sogenannten libyschen Küstenwache übergibt, beginnt dieses Martyrium von neuem. Das kann keine Lösung sein."
Die Frage, welche legalen Flucht- und Asylwege es geben müsse, stehe "in der Tat auf der Tagesordnung", sagte Bedford-Strohm. "Es kann nicht sein, dass man ein Asylverfahren nur bekommt, wenn man sich zuvor auf dem Weg nach Europa in Lebensgefahr gebracht hat. Wir brauchen einen Verteilmechanismus, der gerettete Menschen in verschiedenen Ländern Europas in Sicherheit bringt. "Viele Städte Europas hätten ihre Bereitschaft, sie aufzunehmen, bereits erklärt."