ZdK-Präsident Sternberg verteidigt erneut AfD-Entscheidung des Kirchentags

"Nationalismus geht katholisch gar nicht"

Die meisten Schlagzeilen gab es schon vor Beginn des Kirchentags mit der Nicht-Einladung der AfD. Eine Wohlfühlblase ohne Debatten hat ZdK-Präsident Thomas Sternberg dennoch nicht erlebt. 

"Wir müssen mit unseren Kirchenräumen mutiger umgehen", findet Prof. Thomas Sternberg. / © Beatrice Tomasetti (DR)
"Wir müssen mit unseren Kirchenräumen mutiger umgehen", findet Prof. Thomas Sternberg. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

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DOMRADIO.DE: Kritiker sagen, das war ein Kirchentag in einer schwarz-grün-roten Wohlfühlblase. Ein EKD-Mitglied sprach sogar von extremer Streitarmut. Haben Sie das auch so erlebt?

Thomas Sternberg (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Das ist eigentlich viel zu viel gesagt. Weit über 2.000 Veranstaltungen über einen Kamm zu scheren und zu beurteilen. Es ist insofern richtig, dass man gelegentlich auf den Podien streitige Elemente vermisste - nicht in dem Sinne wie Talkshows es machen - sondern dass man sich gegenseitig schätzen und ausreden lässt und streitige Positionen diskutiert. Das war nicht immer der Fall. Aber trotzdem: Es waren sehr große und sehr gute Veranstaltungen und ich hatte den Eindruck, der Kirchentag bekam auch ein politisches Thema.

DOMRADIO.DE: Politik ist ja häufig ein Thema, wenn auf Kirchentagen debattiert wird. Bei den großen prominent besetzten Podien mit Politikern ging es um Klimaschutz und um Seenotrettung - weniger um Bibel, Kirche und Gottesdienst. Ist das mit Absicht so?

Sternberg: Das ist eine Frage der Berichterstattung. Selbstverständlich gibt es Gottesdienste und gerade die Bibelarbeiten spielen eine riesige Rolle auf dem Kirchentag. Übrigens, auch katholische Bischöfe wie Georg Bätzing und Reinhard Kardinal Marx haben Bibelarbeit gemacht. Das ist ganz wichtig.

Die politische Botschaft ist schon wichtig. Es war schon sehr wichtig und richtig, dass sich hier die evangelischen Christen in Deutschland mit aller Vehemenz für die Geretteten im Mittelmeer einsetzten, die noch auf dem Schiff ausharrten und nicht wussten, ob sie irgendwo an Land gehen konnten. Eine der bewegendsten Auftritte im ganzen Kirchentag war der Bürgermeister von Palermo, der von seinem Kampf gegen die Mafia berichtete und von der Tradition, jahrelang Flüchtlinge in einer geradezu aufopfernden Weise aufzunehmen. Es ist ja eine ganz neue Entwicklung, dass in Italien ein rechtspopulistischer Innenminister gegen Flüchtlinge Stimmung macht.

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen: Die Entscheidung, die AfD nicht mit einzuladen, hat sich bewährt?

Sternberg: Ich habe den Eindruck, dass es hier auf dem Kirchentag eine ganz eindeutige Zustimmung zu dieser Entscheidung gibt. Das Unangenehme an der Sache ist, dass Sie egal wie Sie es machen - ob Sie jemanden von der AfD einladen oder nicht - in jedem Fall eine Presse kriegen, die sich damit beschäftigt und das viel zu sehr hochzieht. Eines muss man ganz klar sagen, hier wurde immer wieder gesagt, was auch der Bundespräsident angesprochen hat: Dass die Sprache der Tat vorausgeht und die Sprache in unserem Land verroht. Mit welchem Hass mittlerweile in den sogenannten sozialen - eigentlich asozialen - Medien diskutiert wird, das spottet jeder Beschreibung. Und das ist im Mordfall Lübke zu einem so grässlichen Ergebnis gekommen, dass es wirklich den Einsatz aller Christen und aller Demokraten verlangt, dagegen vorzugehen.

DOMRADIO.DE: Normalerweise schaut der "Spiegel" immer von einer sehr liberalen Seite auf die Kirchen. Jetzt steht in einem Kommentar zum Abschluss des Kirchentags auf SPIEGEL ONLINE: Es werde eine Debatte losgetreten, ob konservative Gläubige in der evangelischen Kirche - ich denke, die katholische kann man dazunehmen - überhaupt noch einen Platz haben. Was meinen Sie?

Sternberg: Ich möchte eine ganz wichtige Unterscheidung machen: Konservativ und Nationalismus haben nichts miteinander zu tun. Konservative haben selbstverständlich ihren Platz - auch in unserer Kirche und die sind auch da. Aber Nationalismus geht katholisch schon gar nicht. Wir müssen da sauber differenzieren. Wenn wir über Rechtspopulisten sprechen - über Leute, die wirklich in diesem Land ausgrenzen und antisemitische, gegen Ausländer gerichtete, vor allen Dingen antiislamische Parolen schwingen - dann hat das meines Erachtens mit Konservatismus nichts zu tun.

DOMRADIO.DE: Es ging auch eher darum, dass die Themen der Kirche und des Glaubens eher von einer einseitigen liberalen Seite diskutiert wurden. So schrieb es der Kommentator

Sternberg: Da ist eher die Frage, was ist eigentlich das Dominante? Natürlich gab es auf dem Kirchentag auch wieder alles: Die Evangelikalen und die Pfingstler hatten ihre Orte und ihre Veranstaltungen. Aber wenn ich das von außen betrachte, denke ich, dass diese Frage des Ringens von Gruppen untereinander, zwischen Evangelikalen und sehr liberalen evangelischen Christen, noch stärker ist als bei uns. Hier sehe ich nicht diese so große Polarisierung, weil bei uns doch die Gruppe derer, die sich von allem was Mainstream ist abwendet, immer kleiner wird.

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns auf die Ökumene schauen. Sie laden mit ein zum Ökumenischen Kirchentag nach Frankfurt. Wie kann der aussehen? Dorothea Sattler, Professorin aus Münster, sitzt mit im Präsidium des Ökumenischen Kirchentags. Sie sagte, dass es eventuell sogar konkrete Schritte in Sachen gemeinsames Abendmahl geben könnte...

Sternberg: Ich bin sehr vorsichtig, darüber zu spekulieren. Ich versuche mich auch davor zu bewahren, allzu große Hoffnungen in ein sehr schweres Thema zu setzen. Aber ich denke es wird möglich sein, dass wir zu konkreten weiteren Schritten kommen. Wir werden daran arbeiten, wie wir zu größerer Gemeinsamkeit in der Frage kommen. Wie gesagt, man sollte es nicht darauf fixieren und sich allein darauf konzentrieren.

Beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 haben wir uns als Evangelische und Katholische zunächst einmal angesehen, in München 2010 haben wir dann gemerkt, dass in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen doch eine ganze Reihe weiterer Kirchen sind, von Freikirchen bis zur Orthodoxie. Für mich ist ganz wichtig, dass wir und jetzt in Frankfurt Gedanken darüber machen: Wie tritt man eigentlich in einer säkularen Welt auf? In einer Welt, wo in großer Zahl Menschen leben, die nie einen Kontakt zu dieser Kirche hatten? Wie können wir Christen gemeinsam nach außen blicken und was können wir da gemeinsam tun?

DOMRADIO.DE: Den Organisatoren ist es gelungen, viele Menschen nach Dortmund zu holen. Mehr als 120.000 Leute haben teilgenommen - weit mehr als beim Katholikentag. Ein bisschen ketzerisch gefragt: Sind evangelische Christen eher Event-Christen oder sind Katholikentage langweiliger?

Sternberg: Wissen Sie, der Grund ist so schlicht, dass man ihn kaum auszudrücken wagt: Der Katholikentag ist ja viel älter, und er hat in der katholischen Kirche nicht die Bedeutung wie der Evangelische Kirchentag. Man muss bedenken, wer Katholizismus als Masse erleben will, fährt einmal nach Rom zur Mittwochsaudienz. Das gibt es auch an anderen Orten, wo man Katholizismus als große Bewegung erleben kann.

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat vor allen Dingen dieses Element Kirchentag, so dass der Kirchentag auch für die Gemeinden, die Pfarrer, die Haupt- und Ehrenamtlichen eine viel größere Bedeutung hat als für uns Katholiken. Ich denke, das liegt aber nicht am geringeren Interesse. Das glaube ich wirklich nicht.

Das Gespräch führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR
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