Mehrere Tausend Menschen haben am Samstag am Tagebau Garzweiler im rheinischen Braunkohlerevier für eine Klimawende und einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung sowie den Erhalt des Hambacher Forst demonstriert. Neben einer Fahrrad-Demo, einer 100 Meter langen Sitzblockade und Kundgebung in dem von Abbaggerung bedrohten Dorf Keyenberg gab es auch illegale Aktionen.
So drangen Aktivisten des Bündnisses "Ende Gelände" in den Bereich des Tagebaus ein. Zudem blockierten etwa 800 Aktivisten zwei Bahnstrecken, auf denen die im Tagebau geförderte Braunkohle zu Kraftwerken transportiert wird. In der Nacht zum Sonntag hätten weitere Protestler einen Absetzer im Tagebau gestürmt, ihn kurz darauf aber wieder freiwillig geräumt, sagte eine Sprecherin der Aachener Polizei dem epd.
Tausende Menschen waren dem Aufruf gefolgt
Am Samstagnachmittag gelang es demnach einer größeren Anzahl von Personen, die Polizeikette am Tagebau zu durchbrechen. Die Beamten setzten Pfefferspray ein. Bei dem Vorfall wurden acht Polizisten verletzt, offenbar gab es auch Verletzte bei den Aktivisten. Deren Anzahl war am Sonntag noch nicht bekannt. Die Sprecherin von "Ende Gelände", Kathrin Henneberger, warf den eingesetzten Polizisten vor, teilweise "sehr rabiat" vorgegangen zu sein. Zudem seien die verschiedenen Gruppen der Aktivisten, die sich bei der Aktion in "sechs Finger" aufgeteilt hatten, von den Beamten erheblich behindert worden, kritisierte sie.
Laut "Ende Gelände" hielten sich am Samstag zwischenzeitlich mehrere hundert Aktivisten im Bereich des Tagesbaus auf. Einigen sei es gelungen, bis auf die unterste Sohle des mehr 600.000 Quadratmeter großen Geländes vorzustoßen. Am frühen Samstagabend begann die Polizei mit der Räumung des Tagesbaus. Am Sonntagvormittag sei die Räumung schließlich beendet worden, teilte die Polizeisprecherin mit.
Ob oder inwieweit Besetzer in Gewahrsam oder festgenommen wurden, konnte sie nicht sagen. Laut "Ende Gelände" waren Tausende Menschen dem Aufruf des Bündnisses gefolgt und hatten Aktionen rund um den Tagebau unterstützt.
Symbolische Menschenkette
Die Veranstalter sprachen von rund 7.000 Teilnehmern an einem Demonstrationszug von "Fridays for Future" und Umweltverbänden wie Greenpeace oder BUND, der entlang der Tagebaukante von Hochneukirch nach Keyenberg führte. Zudem nahmen mehrere Hundert an einer Fahrrad-Demo teil, der von Erkelenz in die Ortschaft führte. Dort fand am Nachmittag die Abschlusskundgebung statt, zu der etwa 8.000 Protestierende kamen.
Die Teilnehmer bildeten eine symbolische Menschenkette zwischen dem Ort und dem nur etwa 100 Meter entfernten Tagebau. Keyenberg sei einer von sechs von der Abbaggerung betroffenen Orte in der Region, erklärte der Sprecher der Initiative "Alle Dörfer bleiben!", Christopher Laumanns. Die Veranstaltung in dem Ort verlief nach Polizeiangaben ohne Zwischenfälle.
Eine Blockade der Hambachbahn, über die die RWE-Kraftwerke Niederaußem und Neurath mit Braunkohle versorgt werden, wurde noch am Samstag von den Aktivisten selbst beendet. Ein Sprecher des Energiekonzerns erklärte, durch die Aktion sei der Betrieb der Kraftwerke nicht unmittelbar betroffen gewesen.
Grund zur Hoffnung
Kathrin Henneberger von "Ende Gelände" zog am Samstagabend ein positives Fazit: "Dieser Tag ist ein Grund zur Hoffnung. Trotz des beispiellosen Versagens der Politik im Angesicht der Klimakrise setzen heute Tausende ein deutliches Signal für Klimagerechtigkeit." Bereits am Freitag hatten sich bis zu 40.000 Menschen an einem ausgerufenen "Zentralstreik" in Aachen beteiligt. Auch dort war es nach Polizeiangaben weitgehend friedlich geblieben.
Politiker begrüßten das Engagement von Klimaschützern wie der "Fridays for Future"-Bewegung. "Wenn die Jungen jetzt stärker Druck machen, hilft es der Politik, Entscheidungen zu treffen, die sie schon viel früher und energischer hätte treffen müssen", sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) am Samstag auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund.
Der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) erklärte in Düsseldorf: "Kommen wir - auch unter dem Eindruck der Demonstrationen - zügiger voran als in den vergangenen Jahren und schaffen die Voraussetzungen, ist ein Vorziehen des Ausstiegs auch auf 2035 möglich."