DOMRADIO.DE: Sie waren als katholischer Gast auf dem Evangelischen Kirchentag dabei. Als wie ökumenisch haben Sie denn das große Glaubenstreffen erlebt?
Dr. Stefan Vesper (Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / ZdK): Klar ist, dass bei den Katholikentagen und Kirchentagen immer ein großer Teil Christen der sozusagen jeweils anderen Seite mit dabei ist. Das sind manchmal zehn Prozent oder manchmal auch mehr. Nicht zu vergessen sind auch orthodoxe Christen und Christinnen. Insofern ist jeder Katholikentag und jeder Kirchentag auch ein ökumenisches Ereignis.
Natürlich merkt man in der Vorbereitung, dass vielleicht noch etwas fehlt und man hier oder da nicht darauf genau geachtet hat, was alles hätte kommen können. Man hat sich im Fall des Kirchentags in Dortmund zwei Jahre vorbereitet und da haben die evangelischen Kolleginnen und Kollegen einige ökumenische Dinge mit ins Programm aufgenommen.
Für andere Aspekte haben sich dann die Diözesen Essen, Paderborn und Münster zusammengetan und haben ein sehr schönes katholisches Zentrum errichtet, das auch gut besucht wurde.
DOMRADIO.DE: Beim großen Abschlussgottesdienst waren mit rund 32.000 Teilnehmern nur halb so viele mit dabei wie erwartet. Das Westfalenstadion blieb halb leer. Haben Sie einen Erklärungsansatz, warum das so war?
Vesper: Nein, das kann ich als Außenstehender auch nicht richtig beurteilen. Wir kennen natürlich nur die Zahlen, die veröffentlicht wurden. Bei Großereignissen herrscht immer eine Unsicherheit darüber, wie alles schließlich läuft.
Aber es ist schon ein Anlass zum Nachdenken, dass von 80.000 Dauerteilnehmern weniger als die Hälfte am Schlussgottesdienst teilnimmt. Das muss man genau aufarbeiten. Da kann man von außen auch kaum Ratschläge geben.
Es gibt allerdings vielleicht einen Rat, den ich immer versuche zu beherzigen und mit dem ich mich auch manchmal unbeliebt mache. Man sollte nicht unbedingt die großen Zahlen selber noch hervorheben. Es gibt Gesprächsprozesse, bei denen jeder nochmal eine Schippe an Zahlen draufsetzt und damit Erwartungen weckt, die dann zu hoch sind. Entscheidend ist nicht die Frage, wie viele Teilnehmer an so einem Ereignis partizipiert haben, sondern ob es seinen Sinn erfüllt und Ergebnisse erzielt hat.
DOMRADIO.DE: Hat dies dann auch Auswirkungen auf weitere Vorbereitungen kommender kirchlicher Großereignisse wie den Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt 2021?
Vesper: Klar. Sowohl der Katholikentag in Münster wie jetzt der Evangelische Kirchentag in Dortmund waren die letzten Großereignisse dieser Art vor dem großen Ökumenischen Kirchentag in zwei Jahren. Natürlich fließt das dann da ein. Wir hoffen, dass es ein großes Ereignis wird und dass viele Menschen kommen. Aber ob 10.000 mehr oder weniger dabei sind, macht nicht die Qualität aus.
Wichtig ist, dass es ein Zeichen dafür ist, dass sich die Christenheit in Deutschland um die wichtigsten Fragen der Gesellschaft kümmert, ihren Glauben lebt und auch die Gottesfrage in unserer Zeit wach hält. Darauf werden wir uns in Richtung Frankfurt 2021 gemeinsam vorbereiten.
DOMRADIO.DE: Und wie hält man es da mit der AfD? Vor dieser Frage stehen Kirchentags- und Katholikentagsorganisatoren seit einer Weile und kommen zu unterschiedlichen Antworten. In Münster beim Katholikentag 2018 durften AfD-Vertreter öffentlich mitdiskutieren, jetzt in Dortmund waren sie ausdrücklich nicht erwünscht. Was bedeutet das für den Ökumenischen Kirchentag? Wie sollen oder wie wollen die Organisatoren diese Frage handhaben?
Vesper: Ich glaube, dass im Grunde jedes Jahr in Bezug auf die Frage mit dem Umgang der AfD eine jeweils neue Situation bereithält. Wir haben auch zum Katholikentag in Leipzig 2016 keinen Vertreter eingeladen. Dann kam aber die Bundestagswahl 2017, sodass wir dann 2018 eine Diskussion mit den Vertretern aller im Bundestag vertretenen religionspolitischen Sprecher geführt haben. Die Folge war die eine Person von der AfD, die wir eingeladen haben. Jetzt hat der Kirchentag entschieden, keine Personen einzuladen. Das finde ich auch richtig.
Ich glaube, dass sich die AfD immer weiter schwertut, sich von rechtsradikalen Positionen abzugrenzen oder das auch gar nicht will. Und solange das so ist, wird es auf keinen Fall anders ausgehen, als jetzt in Dortmund entschieden worden ist. Ganz im Gegenteil. Es hat der ganze Kirchentag dazu aufgerufen, die Menschenwürde zu stärken, Widerspruch zu leisten, wenn sich jemand populistisch äußert und das Grundgesetz zu verteidigen, das jetzt seit 70 Jahren existiert. Das würde auch der Ökumenische Kirchentag so tun.
Das Interview führte Dagmar Peters.