Bischof Gerber zeigt klare Kante gegen Rechtsextremismus

"Wir müssen den Horizont weit halten"

Unter dem Motto "#Zusammen sind wir stark!" hat die Stadt Kassel nach dem Mord an Regierungspräsident Lübcke zu einer Kundgebung gegen Rechts aufgerufen. Bischof Michael Gerber erklärt, warum ihm die Teilnahme ein großes Anliegen ist.

Michael Gerber / © Bert Bostelmann (KNA)
Michael Gerber / © Bert Bostelmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Warum finden Sie es so wichtig, in Kassel gemeinsam mit vielen anderen klare Kante gegen Rechtsextremismus zu zeigen?

Bischof Michael Gerber (Bischof im Bistum Fulda): Ich bin zunächst einmal selber vom Tod und von der Art und Weise der Ermordung des Regierungspräsidenten sehr betroffen. Leider konnte ich ihn selber nicht mehr kennenlernen. Ich bin aber in diesen Tagen mit seiner Familie im Gebet sehr verbunden. Das ist mir sehr wichtig.

Trauer um Walter Lübcke (CDU) / © Uwe Zucchi (dpa)
Trauer um Walter Lübcke (CDU) / © Uwe Zucchi ( dpa )

Der Initiative des Oberbürgermeisters von Kassel und anderer politischer Größen hier im Land Hessen bin ich sehr gerne gefolgt, weil es mich sehr erschreckt, wie hier mit politischen Mandatsträgern umgegangen wurde. Offenbar wurde Walter Lübcke ja lange Zeit vor seinem Tod bereits bedroht. Das gilt nicht nur für ihn, sondern auch für viele andere Menschen, die eine wichtige Verantwortung in unserem Land haben. Und ich glaube, hier gilt es, klare Kante zu zeigen gegen eine Dynamik des Hasses, die sich offenbar breitmacht und zu der sich Menschen offenbar in diversen Internetforen ermutigen.

Mordfall Walter Lübcke

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni mit einer Schussverletzung am Kopf auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Wolfhagen-Istha entdeckt worden und wenig später gestorben. Am Wochenende wurde der mutmaßliche Rechtsextremist Stephan E. in Untersuchungshaft genommen. Die ermittelnde Bundesanwaltschaft stuft den Mord als politisches Attentat mit rechtsextremem Hintergrund ein.

Das Konterfei von Walter Lübcke (CDU) bei einem Trauergottesdienst in der Martinskirche / © Swen Pförtner (dpa)
Das Konterfei von Walter Lübcke (CDU) bei einem Trauergottesdienst in der Martinskirche / © Swen Pförtner ( dpa )

Hier müssen wir als Kirche deutlich machen: Jeder Mensch hat seine Würde. Jeder Mensch hat seine Verantwortung. Das gilt auch für die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen - auch da, wo wir konträrer Meinung sind. Oberstes Kriterium ist immer der Respekt vor der Würde des Anderen.

DOMRADIO.DE: Wie beteiligt sich das Bistum Fulda an der Kundgebung an diesem Donnerstag?

Gerber: Es werden ohne Zweifel ganz viele Katholiken dort sein, die unsere Kirche in Kassel mit prägen. Ich weiß das vom Dechanten von Kassel und von vielen anderen auch. Ich selbst werde als einer der Redner auch eine kleine Ansprache halten. Und so ist es mir wichtig, deutlich zu machen: Auch wir als katholische Kirche stehen hier in Kassel für die Sorge und das aktive Mitwirken sowie die Würde des Menschen und für ein gutes politisches Klima in unserem Land ein. 

DOMRADIO.DE: Wie erschüttert sind die Gläubigen in der Region vom Mord in Ihrer Stadt? Bekommen Sie davon viel mit?

Gerber: Die Tat hat die ganze Region und auch ganz Deutschland erschüttert. In Gesprächen am Rande von Veranstaltungen und in Gemeinden habe ich erfahren, dass das Thema mit großen Fragen verbunden ist. Viele haben Walter Lübcke auch persönlich gekannt oder erlebt, sind davon erschüttert, dass so etwas überhaupt möglich ist.

DOMRADIO.DE: Gerade erst haben Sie und ihre Mitbrüder von der Deutschen Bischofskonferenz die Arbeitshilfe "Populismus widerstehen" veröffentlicht. Glauben Sie, dass die in der Praxis helfen kann?

Gerber: Sie kann sicherlich eine Hilfe sein - auch gerade für die Arbeit in den Gemeinden. Je nachdem, wer welche Erfahrungen macht, sind auch Menschen in unseren Gemeinden immer wieder anfällig für solche Thesen. Ich glaube, hier gilt es Sorgen und Nöte von Menschen ernst zu nehmen - genauso wie Erfahrungen, die sie stärker in eine Richtung drängen. Damit müssen wir verantwortlich umgehen und Menschen helfen, sich ein differenziertes Urteil zu bilden.

DOMRADIO.DE: Vor dem Hintergrund all dessen, was ist Ihr Appell gegen Rechtsextremismus?

Gerber: Mein Appell ist es, den Horizont zu weiten. Als Kirche sind wir weltweite Kirche. Das heißt, wir haben immer eine Verantwortung für unser unmittelbares Nahfeld, das uns aufgetragen ist. Aber wir haben auch die Aufgabe, das in den großen Kontext der weltweiten Fragen einzubetten. Hier sind wir gerade als Kirche sehr gefordert.

Ich habe Mitbrüder in Afrika, die mir deutlich beschreiben, wie die Situation dort ist - wie viele Menschen auch im Herzen Afrikas, auch in Ländern wie Burundi, die wir so nicht auf dem Schirm haben, auf der Flucht sind. Und es gilt, diese Perspektiven mitzudenken. Der Einsatz für die Menschenrechte ist nicht teilbar und nur an eine bestimmte Gruppe gerichtet. Sondern der Einsatz für Menschenrechte ist immer universell und das ist unsere Aufgabe - gerade als katholische Kirche mit unserer weltweiten Vernetzung. Hier müssen wir den Horizont weit halten. ´

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR