Nach der Wahl von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin

"Sie muss es nicht alleine machen"

Nach der Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin ist eine komplizierte Kandidatensuche zu Ende gegangen. Sie setze mehrere Themen, die auch den Kirchen wichtig seien, betont COMECE-Senior Hauptberater Michael Kuhn.

COMECE: "Es kommt auch auf die Zivilgesellschaft an." / © Michael Kappeler (dpa)
COMECE: "Es kommt auch auf die Zivilgesellschaft an." / © Michael Kappeler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Begrüßen Sie die Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin?

Michael Kuhn (Senior Hauptberater der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE); Entsandter der österreichischen Bischofskonferenz): Auch als Nicht-Deutscher kann man die Wahl von Ursula von der Leyen nur begrüßen. Es ist gut, dass eine Frau am Ruder steht, nach so vielen Jahrzehnten von Männern. Und zweitens glaube ich, dass sie durchaus durchsetzungsfähig und selbstbewusst genug für das Amt ist.

DOMRADIO.DE: Präsident der EU-Bischofskommission ist der Erzbischof von Luxemburg, Jean-Claude Hollerich. Wird es voraussichtlich bald zu einem Treffen zwischen ihm und Frau von der Leyen kommen?

Kuhn: Das kann man sich schon vorstellen. Es war ja auch damals so, dass es relativ schnell zu einem Treffen zwischen dem früheren COMECE-Präsidenten Kardinal Marx und von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker gekommen ist. Wir werden versuchen, möglichst bald einen Termin bei der neuen Kommissionspräsidentin zu bekommen. Ich nehme an, das wird sicher noch im Herbst stattfinden, ansonsten spätestens im Frühjahr, wenn die Vollversammlung der COMECE im März stattfinden wird.

DOMRADIO.DE: Gestern hat Frau von der Leyen in einer Rede ihre Agenda vorgestellt. Haben Sie sich da für die COMECE in vielen Punkten wiederfinden können?

Kuhn: Es sind einige wichtige Punkte dabei, die im Moment auch Hauptanliegen der COMECE sind. Ein Punkt sind zum Beispiel von der Leyens sehr ambitionierte Klimapläne. Der zweite Punkt ist, dass wir natürlich sehen müssen, wie wir im Rahmen der Verträge ein sozialeres Europa aufbauen können. Wir wissen ja, dass Sozialpolitik noch immer zu einem großen Teil Sache der Mitgliedsstaaten ist.

Und ich denke, auch die Ideen dazu, wie wir einiges, was in den letzten Wochen schiefgelaufen ist, eventuell auch ohne Vertragsänderungen anpassen zu können, hin zu einem bürgernäheren Europa, sind sicherlich nicht schlecht.

DOMRADIO.DE: Da kommt nun Einiges auf Frau von der Leyen zu. Über die Zukunft Europas wird heftig gestritten. Staaten wie Polen und Ungarn pochen auf ihre nationale Unabhängigkeit. Wie kann Frau von der Leyen da die Fahne Europas hochhalten und kann ihr das gelingen?

Kuhn: Ich glaube, es wird ihr gelingen und sie muss es ja, Gott sei Dank, nicht ganz alleine machen. Jean-Claude Juncker hat ja auch die ganze Frage der Rechtsstaatlichkeit nicht selbst durchgesetzt, sondern er konnte dabei auf Frans Timmermans vertrauen. Und Timmermans wird ja, wenn alles so bleibt, wie es ausgemacht ist, erster Vizepräsident der Kommission. Man könnte dann also sagen: Er ist in das Dossier schon eingeführt und kennt sich da genau aus.

Ich glaube, es wird darauf ankommen, dass Frau von der Leyen einfach ein gutes Team um sich herum versammelt. Sie hat ja angekündigt, dass sie gleich viele Männer wie Frauen haben will. Auch das wäre ein wichtiges Zeichen.

DOMRADIO.DE: Wie kann die katholische Kirche denn aus Ihrer Sicht die Arbeit der neuen EU-Kommissionspräsidentin unterstützen?

Kuhn: Wie gesagt gibt es einige Themen, die uns sehr wichtig sind. In diesen Bereichen werden wir einfach versuchen, selbst auch gute Vorschläge zu machen. Es kommt ja nicht nur darauf an, dass die Politik Vorschläge macht und dann versucht, sie auf einem politischen Weg umzusetzen. Es kommt auch auf die Zivilgesellschaft an. Und das ist genau das Gebiet, auf dem die Kirchen tätig werden können. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Information: Michael Kuhn ist Senior-Hauptberater der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) und kein offizieller Sprecher der Kommission.

 

Michael Kuhn, COMECE / © Matthias Milleker (DR)
Michael Kuhn, COMECE / © Matthias Milleker ( DR )

 

Jean-Claude Hollerich, Erzbischof von Luxemburg / © Julia Rathcke (KNA)
Jean-Claude Hollerich, Erzbischof von Luxemburg / © Julia Rathcke ( KNA )

 

Ursula von der Leyen wird neue EU-Kommissionspräsidentin  / © Michael Kappeler (dpa)
Ursula von der Leyen wird neue EU-Kommissionspräsidentin / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
DR