Kardinal aus Sizilien: Armut bekämpfen, nicht Flüchtlinge

"Syndrom der Angst"

Der sizilianische Kardinal Francesco Montenegro beklagt Angstmache und Verleumdung in der italienischen Politik. Menschen Angst zu machen, könne nur dann sinnvoll sein, wenn es eine ernsthafte Bedrohung gebe.

Rettungsweste auf einem Felsen / © Songpholt (shutterstock)
Rettungsweste auf einem Felsen / © Songpholt ( shutterstock )

Das sagte der Erzbischof von Agrigent im Interview des Portals weltkirche.de. Aber alle Flüchtlinge allgemein als Verbrecher zu bezeichnen, sei ebenso beleidigend, wie einen Sizilianer pauschal als Mafioso abzustempeln.

In einer Situation, in der alle von Angst und Terrorismus sprächen, schlössen sich die Türen, so der Kardinal. Die Aufnahme von Flüchtlingen gehöre im Süden eigentlich zur Normalität. Die Insel Lampedusa liege näher an Afrika als an Europa. "Die Inselbewohner dort sind es gewöhnt, dass man an ihre Türen klopft", betonte Montenegro.

"Syndrom der Angst"

"In Lampedusa kamen in Hochphasen 10.000 Flüchtlinge auf 5.000 Einwohner", führt der Kardinal aus. Die Inselbewohner hätten Flüchtlinge bei sich zuhause aufgenommen, ihnen zu Essen gegeben, eine Waschmöglichkeit und neue Kleidung. "Wer das nicht konnte, stellte Thermoskannen mit Kaffee oder Tee vor die Haustür, damit sich die Flüchtlinge daran bedienen konnten."

Die nun geschürten Ängste vieler Italiener kann Montenegro nur teilweise nachvollziehen. "Wir lesen und hören von einer Invasion und dass diese Flüchtlinge uns den Arbeitsplatz wegnehmen", so der Kirchenmann; "diese Desinformation erhöht die Ängste der Menschen". Innenminister Matteo Salvini nutze dieses "Syndrom der Angst", da die Menschen nicht wirklich in der Lage seien, den Wahrheitsgehalt solcher Aussagen zu beurteilen. Angesichts von sozialen Ungerechtigkeiten, Jugendarbeitslosigkeit und fehlenden Chancen ließen sich viele davon "erschüttern und bedrücken".

Egoisten-Union

Scharf kritisierte der sizilianische Kardinal die europäische Politik. "Ich nenne die EU nicht Europäische Union, sondern Egoisten-Union – auch wenn wir manchmal so tun, als wäre es eine Gemeinschaft", sagte Montenegro. Europa habe Wirtschaft und Finanzen ins Zentrum gestellt; "der Mensch hat darin keinen Platz".

Europa sei noch nicht mal in der Lage, das Problem der Armut anzugehen, beklagte der Kardinal. Dabei sei es auch mitverantwortlich für die Armut in Afrika. "Wenn die Menschen dort fliehen, hängt das auch damit zusammen, dass Europa mit den Waren und den Menschen dort spielt", so der Erzbischof von Agrigent. "Wir versuchen, Afrika klein zu halten, aber so kann die Welt sich nicht ändern."


Kardinal Francesco Montenegro / © Cristian Gennari (KNA)
Kardinal Francesco Montenegro / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
KNA